Zu Beginn der 1960er-Jahre zogen an die 100.000 einheimische Arbeitskräfte zur Arbeit nach Deutschland, in die Schweiz oder noch weiter weg, um das große Geld zu verdienen. Sie hinterließen eine gewaltige Lücke, Arbeitskräfte fehlten und die Wirtschaft kam nicht so recht in Schwung. Also warb Österreich Gastarbeiter aus Ländern an, in denen eine hohe Arbeitslosigkeit herrschte, vor allem in Jugoslawien und in der Türkei.
1961 waren bereits an die 6100 jugoslawische Gastarbeiter in Österreich tätig, in (West-)Deutschland waren es schon 46.000 – immerhin verdienten sie dort um ein Viertel mehr als bei uns. Dafür war es aus Österreich näher, um übers Wochenende auf der berüchtigten „Gastarbeiterroute“ (ohne Autobahn) nach Hause zu fahren.
Abkommen vor 50 Jahren
Zehntausende junge Männer und Frauen arbeiteten bereits auf eigene Initiative in Österreich auf Baustellen und in Fabriken, als am 4. April 1966 nach jahrelangen Verhandlungen die bereits gelebte Realität offiziell wurde: Das Abkommen zur Beschäftigung jugoslawischer Arbeitnehmer in Österreich trat in Kraft. Das war vor 50 Jahren. Heute erinnert die Wanderausstellung „Unter fremdem Himmel. Aus dem Leben der GastarbeiterInnen des ehemaligen Jugoslawien“ des Vereins Jukus im „Museum im Palais“ in der Grazer Sackstraße noch bis 7. Jänner an diese Menschen, ihre Ankunft in der Fremde, Arbeit, Wohnen, Selbstorganisation in Vereinen, ihre Diskriminierung als „Jugo“ und „Tschusch“. Und setzt ihnen ein spätes Denkmal. Denn sie alle haben mitgeholfen, Österreich auf den Weg in die moderne Zeit zu bringen.
Sie waren beim Bau der Umfahrung Leoben tätig und haben die Autobahnbrücke Nestelbach errichtet, sie haben die U-Bahn in Wien mitgebaut und die UNO-City. Joachim Hainzl und Handan Özbas haben die Ausstellung kuratiert und werden sie nach dem 7. Jänner in regionalen Varianten auch in Klagenfurt und Kapfenberg zeigen.
Leben in zwei Welten
Damals im Zeitalter vor Internet und Mobiltelefon waren Bahnhöfe die wichtigen Treffpunkte der Gastarbeiter, auch als Umschlagplätze für Neuigkeiten und für Hilfe jeglicher Art. Man lebte in den zwei Welten, war weder In- noch Ausländer, weder in Österreich noch in Jugoslawien. Dabei ist es den „Jugos“ besser gegangen als den Türken, da sie sich dank staatlicher Unterstützung aus Jugoslawien und der katholischen Kirche in zahlreichen Vereinen organisierten und in ihrer kargen Freizeit gemeinsam Sport betrieben. So wurden in Graz, Kapfenberg und Leoben jugoslawische Sport- und Kulturvereine gegründet, in Wien entstand sogar eine eigene Jugo-Fußball-Liga.
Kampf um Arbeitsplätze
1973 aber ging der Wiederaufbau-Boom zu Ende, dazu kam die Ölkrise, als deren Folgen Temporeduzierung, autofreie Tage, Energieferien und Sommerzeit eingeführt wurden. Die etwa 230.000 Gastarbeiter in Österreich wurden im Kampf um die Arbeitsplätze als Konkurrenz gesehen. Zweifel über ihre Integrationswilligkeit wurden laut, doch über ihre Arbeits- und Lebensbedingungen diskutierte man nicht. Sie verdienten meist weniger als österreichische Arbeitskräfte, lebten in überteuerten, schlechten Wohnungen, Sprachkurse gab es nicht für sie. Integration war kein Thema, ging man doch davon aus, dass die Gastarbeiter nach einigen Jahren ohnehin wieder in ihre Heimat zurückkehren würden.
Doch viele bauten sich in Österreich ihr Leben auf und wollten bleiben. Einer von ihnen ist Meho Sai, der 1974 nach Graz gekommen ist, wo er als Pflasterer zu arbeiten begann, eine Maurerlehre absolvierte und jahrzehntelang arbeitete. Zu seinen Arbeiten zählte die Pflasterung des Platzes Am Eisernen Tor. Wenn Sai als Pensionist heute dort vorbeikommt, überprüft er immer wieder den Zustand. Schließlich fühlt er sich auch heute noch dafür verantwortlich.
Robert Engele