Brigitte Wagner lebt in ihren eigenen vier Wänden im Grazer Stadtbezirk St. Leonhard im Moment mit unerträglichem Gestank. Denn: Direkt in der Wohnung über ihr ist vor mehreren Wochen ihr Nachbar verstorben. "In meiner Toilette hat es von einem Tag auf den anderen komisch zu riechen begonnen. Ich habe das WC dreimal gereinigt, auch den Boden – aber es hat nichts gebracht. Nach einer Woche habe ich mich an die Hausverwaltung gewandt, da wurde mein Nachbar dann gefunden", erinnert sie sich.

Zwei bis drei Wochen dürfte der Mann bereits tot in der Wohnung gelegen haben, bestätigt Eva Winter, Leiterin des Grazer Gesundheitsamts. Auch wenn der Fund knapp drei Wochen her ist, wartet die 66-Jährige immer noch darauf, dass die Wohnung über ihr gereinigt wird. Mehrmals hat sie sich in ihrer Verzweiflung bereits an die Behörde und die Hausverwaltung gewandt. "Es war seitdem eine Reinigungsfirma da und hat die Lüftungsschächte abgeklebt, gebracht hat das aber nichts", sagt die Frau, die im Rollstuhl sitzt. Wenn am Nachmittag die Sonne in ihr WC scheint, sei der Gestank am schlimmsten, erzählt sie. "Ich lagere auch mein Klopapier inzwischen in einem anderen Raum, weil es den Geruch angenommen hat."

Schwierigkeiten bei der Suche nach Angehörigen

Dem Gesundheitsamt sind unterdessen die Hände gebunden, die Wohnung wurde nach dem Fund polizeilich versiegelt. "Es wurde eine Erstreinigung durchgeführt, organisches Material wurde entfernt. Jetzt müssen wir allerdings warten, bis die Verlassenschaft geklärt ist. Da die Wohnung nicht der Öffentlichkeit gehört, dürfen wir nicht einfach hinein und Dinge verändern", sagt Winter.

Im Moment liege der Fall vor dem Bezirksgericht oder einem Notar, allerdings sei das Auffinden von Angehörigen in solchen Fällen oft mit Herausforderungen verbunden, weiß sie aus Erfahrung. "Viele dieser Personen haben oft wirklich keinen Kontakt mehr zu Angehörigen oder wollen diesen nicht. Die aktive Suche nach Verwandten ist dann sehr schwierig, denn in Österreich gibt es kein Register, wo solche Daten erfasst sind." Hausverwaltung, Hausmeister und Polizei helfen dann häufig bei der Angehörigensuche. "Auch Einzeiler der Bestattung in Zeitungen haben in der Vergangenheit schon bei der Auffindung geholfen."

Geruch kein Gesundheitsrisiko

Winter macht die Häufigkeit solcher Fälle auch persönlich betroffen. "Mir kommt auch vor, dass es im Moment noch mehr sind." Mindestens einmal im Monat wird das Gesundheitsamt mit Verstorbenen betraut, die erst nach längerer Zeit aufgefunden werden. Manchmal sind es auch mehr.  "Wenn ein Mensch kein Zeitungsabo hat, fällt es auch den Nachbarn oft nicht auf, dass etwas nicht stimmt", so Winter.

Für Wagner heißt es weiter Ausharren, das Gesundheitsamt hat die Dringlichkeit des Falls vor Bezirksgericht und Notar betont. "Wenn es eine Woche gewesen wäre, in der es gestunken hätte, wäre ich damit klargekommen, aber jetzt ist es schon mehr als ein Monat. Ich kann und will das nicht noch zwei Monate aushalten", so die verzweifelte 66-Jährige. "Inzwischen versuche ich, mir den Toilettengang so lange wie möglich zu verkneifen oder die Luft anzuhalten, das ist doch nicht zumutbar." Körperlich kann der Geruch zumindest keinen Schaden verursachen, versichert Winter. "So etwas wie Leichengift gibt es nicht, der Geruch allein stellt kein Gesundheitsrisiko dar. Psychisch kann die Situation aber sehr belastend sein, vor allem im Hinblick auf das Wissen, woher der Geruch kommt."