Richter Andreas Rom bringt es am Beginn der Verhandlung auf den Punkt: "Es muss ein Teuferl bei euch im Keller gesessen sein, und darauf gewartet haben, dass etwas passiert." Und der Verteidiger des Angeklagten versichert dem Gericht: "Es gibt keine schlimmere Strafe für meinen Mandanten als die, die er schon erlitten hat."

Der Angeklagte, ein vorbildlicher Beamter mit der bestmöglichen Dienstbeschreibung, schildert anfangs noch gefasst und hoch konzentriert den Hergang des Unfalles. Dieser Augenblick im Keller des Bildungszentrums der Sicherheitsexekutive in Graz, der dazu führte, "dass mehrere Leben aus dem Ruder liefen", wie Staatsanwalt Hansjörg Bacher es formuliert.

Fatales Einsatztraining

Am 14. September war die Bereitschaftseinheit an einer erfolgreichen Suchaktion beteiligt. Nach dem Einrücken gab es Mittagessen, danach eine vom Angeklagten angesetzte theoretische Schulung am neuen StG 77 der Exekutive. Danach sollte eine einsatztaktische Dreierformation geübt werden. Der Angeklagte als Gruppenkommandant und Einsatztrainer ließ die Rotwaffen – nicht scharfe Übungswaffen – ausfassen und ließ die Dienstwaffen in der Nähe gesichert verstauen. "Ich wollte die Einsatzbereitschaft aufrechterhalten." Wegen der Marscherleichterung bei der Suchaktion trugen die Polizisten keine Schutzwesten, was aber auch bei Trainings nicht vorgeschrieben war.

Der Fehler des Angeklagten: Er vergaß, seine eigene Dienstwaffe gegen eine sichere Rotwaffe auszutauschen. Um einen häufigen Fehler zu demonstrieren, nahm er in der Übung die Mittelposition in der ersten Dreierformation ein. "Das Schlimmste, was passieren kann, man erschrickt oder stolpert, man drückt ab und trifft den Vordermann."

Mit größter Kraftanstrengung setzt er fort: "Um das zu demonstrieren, habe ich die vermeintliche Rotwaffe abgefeuert und den Patrick getroffen." Sein erster Gedanke: "Fuck, was ist jetzt los?" Da erst realisierte er, dass er mit der scharfen Waffe geschossen hatte. Gemeinsam mit zwei Kollegen begann er mit Erste-Hilfe-Maßnahmen. Vergeblich.

Keine Kontrolle des Trainers

"Wer hat kontrolliert, dass keine scharfen Waffen getragen wurden?", fragt der Richter. – "Ich." – "Wer hat Sie kontrolliert?" – "Leider Gottes keiner." Der ermittelnde Beamte des Landeskriminalamtes Oberösterreich schildert, dass der Angeklagte nach dem Unfall sofort aussagen und zur Aufklärung beitragen wollte. "Das hat mich sehr beeindruckt. Er hat keine Sekunde gezögert, er wollte dazu stehen, hat nie irgendetwas abgeschwächt, hat keine Ausrede gesucht. Die größte Strafe hat er schon."

"Wie würden Sie Patrick beschreiben?", fragt der Staatsanwalt den Angeklagten. "Gut kennengelernt habe ich ihn nicht", sagt der Angeklagte und stockt. Er war erst kurz im Team, "er hat gewirkt wie ein lebenslustiger, aufgeweckter, engagierter Kollege. Er wollte unbedingt Polizist sein und alles gut machen." Deshalb sei er auch froh über das Training gewesen, "um ein besserer Polizist zu werden, statt sinnlos Autofahrer abzustrafen".

Treffen mit den Eltern

Er selbst sei unter psychologischer Betreuung. Mit den Eltern des Opfers hat er gesprochen. "Was sagt man Eltern, deren Sohn man erschossen hat?", fragt er. Und da ist es mit seiner Fassung vorbei. Im Gerichtssaal hätte man eine Stecknadel fallen hören können. "Ich hatte ein Treffen mit den Eltern", sagt er schließlich, "wo ich mich erklären und mich dafür entschuldigen konnte für das, was ich dem Patrick und ihnen angetan habe."

Unerträglicher Druck

Der Schuss-Sachverständige setzt an, den Ablauf der Ereignisse zu schildern, muss aber unterbrechen: Der Angeklagte hat Nasenbluten, was der Verteidiger in seinem Plädoyer als Zeichen für den Druck nimmt, unter dem der Angeklagte leidet. Nach zehn Minuten kann die Verhandlung weitergehen. „Eine Schutzweste“, sagt der Experte „hätte verhindert, dass das Projektil in den Körper eindringt.“

Die Ermittler haben dem Innenministerium empfohlen, dass solche Einsatztrainings nur noch von zwei Trainern durchgeführt werden sollten, die sich gegenseitig kontrollieren. In der Steiermark wurde das bereits umgesetzt.

Die Konsequenz für den Angeklagten: Schuldspruch wegen grob fahrlässiger Tötung, sechs Monate bedingte Haft und eine Geldstrafe von 5760 Euro (nicht rechtskräftig). "Waffenträger", begründet der Richter, "müssen sich bewusst sein, dass sie nicht nur die Waffe in der Hand halten, sondern auch den Tod." Aber: "Aufgrund meiner Entscheidung können Sie weiter Polizist bleiben."