Herr Müller-Veith, warum haben Sie Ihre Mieten im April nicht erhöht?
Werner Müller-Veith: Ich habe keine so großen Teuerungen, die es notwendig machen würden, jetzt die Mieten zu erhöhen. Ich verwalte das Haus in Eigenregie und übernehme sehr viele Arbeiten selbst. Mein Gesamtmodell ist darauf ausgelegt, Aufgaben zu bündeln und dadurch Kosten einzusparen. Ich bin Kleinstunternehmer und kalkuliere anders als ein großer Immobilienkonzern. Im Jahr 1996 habe ich das Haus in der Zinzendorfgasse zur Hälfte geerbt und zur anderen Hälfte gekauft aus der Verlassenschaft meiner Großmutter. Ich habe es umgebaut und mehrere Studentenwohnungen daraus gemacht. Was mich unterscheidet, ist halt das Pauschalmodell.
Wie funktioniert dieses in Ihrem Fall?
Gerade für Studenten oder andere Menschen mit beschränktem Einkommen ist es wichtig, zu wissen, welche Ausgaben sie haben. Bei mir ist alles dabei: Strom, Heizung, die Waschmaschine im Keller, das Fahrrad-Abstellen im Hof, die Benützung einer Hälfte des Gartens. Das letzte Mal habe ich im Juli 2022 die Pauschalmiete um sieben bis acht Prozent erhöht aufgrund der starken Heiz- und Stromkostenerhöhung. Gleichzeitig habe ich gesagt: Bitte spart’s, sonst kann ich dieses Pauschalmodell nicht aufrechterhalten. Im Februar habe ich die Abrechnungen bekommen und es ist sich ausgegangen. Ich erhöhe also nicht, nur weil es jetzt von der Regierung ermöglicht wurde.
... und dafür sind Ihnen die Mieter um den Hals gefallen?
Die sind überglücklich, ja. Auch bei Einzelschicksalen versuche ich Rücksicht zu nehmen. 2020 hatte ich eine Mieterin, die wegen des Lockdowns monatelang nicht arbeiten konnte. Ich habe ihr für zwei Monate die Miete erlassen. Sie ist eine gute Mieterin und ich habe Interesse, gute Mieter zu halten. Es gibt halt leider auch viele schwarze Schafe bei den Mietern, die Wohnungen versauen lassen oder versuchen, jede Kleinigkeit dem Vermieter aufs Auge zu drücken.
Wie ist das bei Ihnen?
Ich gebe zu, dass ich auch ein bisschen siebe, wen ich als Mieter hineinnehme. Aber ich packe auch selbst an. Wir haben zum Beispiel eine WhatsApp-Gruppe, in der ich Wissenswertes mit den Mietern teile. Als wir letzten Oktober nicht wussten, ob wir genug Gas zum Heizen haben werden, habe ich Holz für ein paar Wochen im Hof eingelagert. Im Notfall kann man auf Holzscheitheizung umschalten. Dann habe ich alle darüber informiert. Oder letztens rief mich um 8.30 Uhr das E-Werk an, dass um 8.45 Uhr der Strom abgeschaltet wird. Das habe ich schnell in die Gruppe geschrieben. Und mein Sohn und meine Tochter leben auch in dem Haus und helfen mit, sie übernehmen etwa das Schneeräumen.
Bei Ihnen scheint gegenseitiges Vertrauen zu herrschen. Nicht selbstverständlich zwischen Mieter und Vermieter, oder?
Ich leite im Hauptberuf eine große Firma und weiß, wie wichtig Profit für ein Unternehmen ist. Genauso wichtig ist aber ein partnerschaftliches Verhältnis zu seinen Kunden und Kundenzufriedenheit. Ich will, dass es meinen Mietern gut geht. Ich habe das Gefühl, dass die meisten Vermieter ihre Mieter als Melkkühe sehen, nicht als Kunden.
Wie Sie aber schon sagen, geht es eben auch um Profit.
Na ja, institutionelle Vermieter müssen für ihre Eigentümer und Investoren eine Rendite erwirtschaften. Die passen natürlich jetzt die Mieten an. Ich habe solche Vorgaben nicht. Ich vermiete als Nebengeschäft, das es mir ermöglicht, mein Eigentum zu erhalten. Wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen wie jetzt gegeben sind, dann werden Vermieter die Mieten erhöhen. Diesen Robin-Hood-Spirit, den ich habe, kann man nicht voraussetzen. Der Durchschnittsunternehmer will seinen Profit möglichst groß machen.
Wie stehen Sie zu einer Mietpreisbremse?
Das wäre die Maßnahme gewesen, da sind sich ja mittlerweile alle einig. Durch die Subventionierungen, die jetzt geschehen, wird das Steuergeld aber in die Profite der wenigen fünf bis zehn Prozent verschoben, die sehr viele Immobilien besitzen. Die Preisbremse wäre das Mittel der Wahl gewesen, auch weil sie die Inflationsspirale gedrückt hätte.
Was müsste sich im System noch verändern?
Die grundsätzliche Frage ist: Sollte Wohnen überhaupt die Haupteinkommensquelle von irgendwem sein? Wohnen ist immerhin ein Grundrecht, jeder sollte sich eine Wohnung leisten können. Ich denke, es bräuchte eine Liberalisierung des Mietrechts. Das Angebot soll entsprechend der Leistung bezahlt werden. Das heißt nicht, dass man mit den Mieten automatisch in die Höhe geht. Es ist nur so, dass ein Pauschalmodell, wie ich es beispielsweise anbiete, in der Form eigentlich gar nicht vorgesehen ist. Und mit einer Liberalisierung wäre es möglich, mehr individuelle Modelle zu entwickeln. Vielleicht würden sich dann mehr Leute über ein Modell wie meines drüber trauen. Das könnte für Vermieter und Mieter gut sein.
Es wirkt, als ob Sie Vermieter aus Leidenschaft sind?
Ich habe relativ früh erkannt, dass es für mich eine Möglichkeit ist, ohne eigenen Kapitalaufwand, das Eigentum zu erhalten. Und ein bisserl was bleibt schon über.