Denis schaut seine Mama ein bisschen verunsichert an. Seine Stimme klingt dennoch bestimmt. "Du hast gesagt, man soll lächeln und nicht weinen", sagt der Achtjährige. Meistens sind die Mundwinkel von Jasna Kljajic auch nach oben gezogen. "Aber", erklärt die 36-Jährige ihrem Jüngsten, "wenn die Mama erzählt, wie alles angefangen hat ..."
Dann muss sie manchmal schlucken, rinnen ab und zu ein paar Tränen über ihre Wangen. Drei Mal wurde bei Jasna Kljajic Krebs diagnostiziert – Brust, Knochen, Lunge. Nicht immer hat sie ihren drei Söhnen beim Aufwachsen zusehen, lange nicht da sein können.
Die erste Diagnose kam einen Tag vor Davids Geburtstag. David ist der älteste, heute ist er 12 Jahre alt, damals war er sechs. Ihr Mann Stipo setzt Jasna Kljajic auf dem Weg zum Supermarkt beim Doktor ab. Er fährt weiter, für Davids Geburtstagsfeier einkaufen.
"Das war ein Schock"
Nach dieser Kontrolluntersuchung gerät das Leben von Jasna Kljajic das erste Mal aus den Fugen. "Da hieß es schon: bösartig." Es war nicht nur Brustkrebs, die gefährlichen Zellen hatten sich schon in den Lymphknoten ausgebreitet. "Das war ein Schock. Weil die Kinder so klein waren." Es ging alles schnell, Chemotherapie, zwei Operationen, Bestrahlung, Reha. Das volle Programm. "Ich habe mich damit abgefunden. Nach einem Jahr war es vorbei."
Mehr als zwei Jahre "war alles gut, hat alles gepasst". Doch der Krebs kommt zurück, im Sommer 2020, noch aggressiver. Diesmal lautet die Diagnose: Knochenmetastasen. Wieder geht es mit Therapie los. Zwischendurch ist Jasna Kljajic zuhause, sie spaziert gerade durch den Wald, als der Anruf von der Onkologie kommt. Sofort müsse die Steirerin ins Krankenhaus, die Leberwerte spielen verrückt.
Auf das, was jetzt kommt, war keiner gefasst. Drei Wochen lang liegt Kljajic im Krankenhaus – ohne dass die Ärztinnen und Ärzte einen Finger rühren können. Die schwache Leber erlaubt keinerlei Medikamente, keine Therapie. Die Haut der damals 34-Jährigen verfärbt sich gelb. "Ich hab gesagt, bevor ich im Krankenhaus stirb, stirb ich lieber daheim." Also kehrt sie in ihr Haus nach Raaba zurück. Ohne Rollstuhl geht zu dem Zeitpunkt nichts. Im Oktober würde Daniel – heute zehn Jahre alt – seine Erstkommunion feiern. "Das daleb ich nicht mehr", denkt die dreifache Mutter. Dann gibt es diesen einen Moment im Wohnzimmer, Jasna Kljajic sitzt in einem Stuhl. "Meine Mama war bei mir, meine Füße waren schon kalt, mein Bauch voller Wasser." Sie will die Rettung nicht rufen. "Ich habe gewusst, dass es bald vorbei ist."
Ein Wunder im Oktober
Ihre Jungs werden in dieser Zeit selbstständig. Sie stehen jetzt allein auf, machen sich ihre Jause, ziehen sich an, gehen zum Schulbus. David, der Älteste, kocht und backt leidenschaftlich. Zu Weihnachten wünscht er sich einen tragbaren Mixer. Er ist es auch, der seinen Brüdern oft erklärt, was mit der Mama los ist. "Er ist wie ein Erwachsener", sagt Kljajic.
Dass sie sich 2020 "wieder aufgerappelt", bezeichnet ihr Mann Stipo als "Wunder". Seit 1997 kennt er seine Jasna, sie hat für ihn in der Schule gedolmetscht, als er aus Kroatien in die Steiermark gekommen ist. Mit 17 wurden sie ein Paar.
Bis heute wissen die Ärztinnen und Ärzte nicht, warum es mit Jasna Kljajic wieder bergauf ging. Sie hat eine Erklärung dafür: "Es waren meine Männer und die Erstkommunion von Daniel, bei der wollte ich unbedingt dabei sein", ist die Mutter überzeugt, "also habe ich zu Stipo gesagt: Geh und kauf ihm den schönsten Anzug. Ich war dann noch im Rollstuhl, aber ich war dabei."
Fürs Foto bei der Feier hat ihre Familie sie aufgerichtet, sie gestützt. Die Kljajics halten zusammen. Überhaupt hat die 36-Jährige ein Netz aus Familie, Freunden und Bekannten um sich, das sie auffängt.
Große Stützen: Hund und Hospizbegleiterin
Dann ist da noch Elisabeth Lienhart. Sie ist seit April ihre ehrenamtliche Hospizbegleiterin. Fast jede Woche unternehmen die beiden etwas, Kaffee trinken, Shoppen, im Kino oder im Theater. Jasna Kljajic ist gern unterwegs, draußen im Wald oder sogar am Fußballplatz mit Sauerstoffflasche, wo die beiden jüngsten Söhne Daniel und Denis spielen.
"Ich bin gelernte Friseurin, war immer unter Leuten, bei Kunden. Jetzt bin ich mit 36 Jahren in Pension." Sie spielt oft die Starke, "manchmal muss man sie bremsen", sagt Hospizbegleiterin Lienhart. Aber sie hat es halt gerne laut und wuselnd. Sonst würden die Panikattacken kommen. Jetzt kommen sie meist nur in der Nacht. Dann hat die Steirerin keine Kontrolle über ihren Körper, spürt sich nicht. "Das letzte Mal habe ich auf eine Zitrone gebissen, um zu mir zu kommen." Eine große Stütze ist Lino, der junge Beagle, der seit vier Monaten Teil der Familie ist. Einmal ist er drei Stunden während einer Attacke neben ihr gelegen, hat sie immer wieder leicht in den kleinen Finger gezwickt.
Die Angst ist immer da. Vergangenen November schlägt der Krebs wieder zu, diesmal ist es die Lunge. Im April 2022 geht alles von vorne los. Ein drittes Mal rappelt sich die Mutter auf.
Gerade ist eine gute Zeit. "Wir weinen zusammen, wir lachen zusammen", sagt Jasna Kljajic. Bald kommt der Weihnachtsbaum ins Haus. Im Advent sitzt die Familie gern gemütlich zusammen. Am liebsten mit Keksen – selbst gebacken von David, dem Ältesten.