In Mathematik nicht nur rechnen, sondern auch über die steigenden Bevölkerungszahlen der Welt reden. In Chemie nicht nur die Masse von Wassermolekülen bestimmen, sondern auch darüber diskutieren, wie wertvoll der Rohstoff ist. In Englisch nicht nur Vokabeln lernen, damit man sich übers Wetter unterhalten kann, sondern auch thematisieren, wie sich der Klimawandel auswirkt.

So ungefähr würde in Wilma Hausers und Monika Gigerls Augen die "ideale" Schule aussehen. Die beiden beschäftigen sich an der Pädagogischen Hochschule Steiermark mit dem Thema "Global Citizenship Education", kurz GCED. Das Ziel hinter dem sperrigen Begriff: Die Studierenden an der PH – die zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer – so auszubilden, dass sie in ihrem Unterricht immer globale Themen mitdenken. Damit schließlich Schülerinnen und Schüler "sich bewusst werden, dass sie Teil einer globalisierten Gesellschaft sind und sie weiterentwickeln können", sagt Gigerl.

Krieg, Pandemie und Menschenrechte im Unterricht

Das sei jetzt aktueller denn je, hinsichtlich des Krieges in der Ukraine und der weltweiten Pandemie, meint Hauser. "Das Thema ist bereits in der Volksschule angekommen, die Kinder brauchen eine Antwort und die Studierenden brauchen auch eine: Wie kann ich das Thema für einen Achtjährigen aufbereiten?", schildert Gigerl. Möglichkeiten sind zum Beispiel, nicht über Kriegsbilder, sondern übers Thema Frieden einzusteigen, gemeinsam Bastelarbeiten zu machen oder auch Spendenaktionen zu organisieren und den Kindern damit das Gefühl der Machtlosigkeit zu nehmen.

Unter "Global Citizenship Education" fallen alle möglichen Themen – neben Krieg, Pandemie und Klimawandel zum Beispiel auch Armut, Demokratie und Menschenrechte. Sie müssten in allen Fächern aufschlagen und nicht nur in den "offensichtlichen" wie Ethik, Geografie oder Geschichte, meinen Hauser und Gigerl. Ganz einfach sei das keinesfalls, aber "da braucht es nicht eine ganze Stunde dazu, sondern vielleicht einmal nur einen Hinweis oder eine Diskussion", erklärt Hauser.

Kritisch mit globalen Herausforderungen auseinandersetzen

Die Definition des Begriffs kommt von der Unesco. Die PH Steiermark ist seit 2018 eine Unesco-Hochschule, sie war die erste in Österreich. Deswegen ist "Global Citizenship Education" auch inhaltlicher Schwerpunkt an der PH. "Unsere Aufgabe ist, die Lehrerinnen und Lehrer darauf aufmerksam zu machen und ihnen eine Wissensbasis mitzugeben, wie sie an den Schulen mit globalen Themen umgehen", erklärt Hauser. Das geschieht über Lehrveranstaltungen, dazugehörige Unterrichtsmaterialien oder auch Tagungen.

"Im Mittelpunkt steht Verantwortung", sagt Gigerl. Auf beiden Seiten. Zukünftige Lehrer sollen erkennen, dass ihre Handlungen Folgen haben. Schüler sollen Verantwortungsbewusstsein entwickeln. Das fange bei "einfachen" globalen Fragen an, wie zum Beispiel: Muss ich mir Erdbeeren im Jänner kaufen? Oder viermal im Jahr eine neue Jeans? Schlussendlich ist die Intention, dass Kinder und Jugendliche in der Schule alle nötigen Werkzeuge bekommen, "damit sie sich kritisch mit Themen auseinandersetzen und mit globalen Herausforderungen umgehen können", sagt Hauser. Man müsse den Schülern bewusst machen, dass sie bestimmen, "wie morgen das Zusammenleben sein wird". Sie sind quasi die Macher der Zukunft.

Gigerl und Hauser arbeiten daran, dass "Global Citizenship Education" im gesamten österreichischen Bildungssystem "nachhaltig verankert" wird: im Kindergarten, in der Schule, an Unis, in der Erwachsenen-, der Fort- und Weiterbildung. "Das Konzept etabliert sich langsam, aber es muss mehr werden."