Sie ist dreimal so alt wie der Durchschnitt aller Fleckvieh-Kühe in Österreich - und hat mit ihren bald 17 Jahren schon siebenmal so viel Milch gegeben wie der Durchschnitt ihrer Eutergenossinnen. Und vor wenigen Tagen hat die oststeirische Kuh "Erle" einen Weltrekord erreicht. Als erste Kuh der (hierzulande typischen) Rasse Fleckvieh hat sie in ihrem Leben mehr als 200.000 Kilo Milch gemolken (ja, Milch wird in Kilogramm und nicht in Liter gemessen!).

Zum Vergleich: im Schnitt wird eine Fleckviehkuh hierzulande rund 6 Jahre alt, gebärt vier Kälber und gibt in ihrem Leben 30.000 Kilo Milch.

Damit könnte Erle 2688 Österreicher ein Jahr lang mit Milch und Joghurt versorgen - der Pro-Kopf-Verbrauch von Trinkmilch (inkl. Joghurt, aber ohne Käse) liegt in Österreich bei 74,4 Kilogramm. Das entspricht fast der Einwohnerzahl ihres Heimatortes Grafendorf.

Erle lebt nämlich seit ihrer Geburt im Jänner 2004 auf dem Bauernhof der Familie von Bernhard und Maria Schirnhofer und ihren vier Kindern in Grafendorf bei Hartberg. Deren Herde umfasst 75 Kühe.

"Uneingeschränkte Chefin im Stall"

Berhard Schirnhofer im Gespräch mit der Kleinen Zeitung über das gemeinsame Erfolgsgeheimnis von Erle und ihren bäuerlichen "Mitarbeitern": "Erle war jahrelang die uneingeschränkte Chefin im Stall, ein robustes Tier in Form und Charakter." Sein Credo in der gesamten Arbeit: "Eine gesunde Kuh wird alt." Das sei bei Tieren nicht anders als bei Menschen. "Es ist ja auch bei Menschen so, dass man am leistungsfähigsten ist, wenn man fit ist und sich wohlfühlt."

Weltrekord-Kuh Erle wird im Jänner 17 Jahre alt
Weltrekord-Kuh Erle wird im Jänner 17 Jahre alt © (c) KeLeKi

Dass die Weltrekord-Kuh ein so hohes Alter (sie hat 12 Kälber geboren) erreicht hat und dabei im Schnitt 42 Kilo Milch pro Melktag gegeben hat, kommt laut Reinhard Pfleger, Geschäftsführer der Rinderzucht Steiermark, nicht von ungefähr: "In mehreren Bauabschnitten hat Familie Schirnhofer in den letzten Jahren viel in Kuhkomfort investiert. Die Fleckviehkühe in der Steiermark sind heute im Durchschnitt älter als vor 10 Jahren, das hat ganz stark mit Kuhkomfort und Tierbetreuung zu tun."

So erachtet es auch Bernahrd Schirnhofer nicht als Zufall, dass seine beste Kuh im Stall genauso alt ist, wie der tierfreundliche Laufstall mit Stroh selbst.

Bekannt für ihren starken Willen

Neben messbaren Eigenschaften zeichnet die Kuh Erle aber laut ihren Besitzern vor einem eine Charakter-Eigenschaft aus, die man sonst von Spitzensportlern wie Marcel Hirscher kennt: Sie zeige stets starken Willen und Stabilität.

Zu ihrem Weltrekord bekam Erle (bzw. die Züchterfamilie) von Kammerpräsident Franz Titschenbacher (links), Rinderzucht-Obmann Matthias Bischof (3. v. l.) und Rinderzucht-Geschäftsführer Reinhard Pfleger (rechts) eine eigene Torte
Zu ihrem Weltrekord bekam Erle (bzw. die Züchterfamilie) von Kammerpräsident Franz Titschenbacher (links), Rinderzucht-Obmann Matthias Bischof (3. v. l.) und Rinderzucht-Geschäftsführer Reinhard Pfleger (rechts) eine eigene Torte © Rinderzeucht Steiermark

"Langlebigkeit wichtiger als reine Milchleistung"

Schon vor längerer Zeit habe man in der Steiermark den Fokus weg von reiner Milchleistung gelenkt, so Pfleger (sogenannte "Turbokühe", die in kurzer Zeit sehr viel Milch geben, aber dann sehr früh aussortiert werden, gerieten zuletzt weltweit in die Kritik). Fitness und Langlebigkeit seien als Zuchtziel nun ebenso wichtig, wenn nicht gar wichtiger als Milchleistung. "Weil dies im Endeffekt auch wirtschaftlich besser ist."

Bei den Schirnhofers (auch die vier Kinder Julia, Anja, Stefan und Daniel sind bereits in Jungzüchter-Clubs aktiv) stehen zudem außergewöhnlich viele ältere und noch immer leistungsfähige Kühe im Stall. Schon zehn haben mehr als 100.000 Kilo Milch in ihrem Leben gegeben - der Großteil der Bauernhöfe hat nicht einmal eine solche Kuh im Stall.

International gefragt

Die guten Gene von "Erle" sind übrigens international gefragt: Ihr Enkelsohn "Minnesota" lebt in der Besamungsstation der Rinderzucht Steiermark und sein Sperma gilt als Exportschlager... aber das ist eine andere Geschichte.

Hintergrund: Fleckvieh ist mit Abstand die am stärksten vertretene Rasse in Österreich. Sie geben gemeinhin nicht so viel Milch wie reine Milchrassen (zum Beispiel die schwarz-weißen Holstein-Kühe), gelten dafür aber als robust und werden wegen des höheren Fleischanteils auch gern in der Rindermast verwendet. Man spricht in diesem Fall von "Zweinutzungsrasse".

Zweiter Rekord aus Österreich

Österreich dürfte generell ein guter Boden für sehr langlebige, leistungsstarke Kühe sein. Erst im August 2020 hat in Villach Kuh "Nelly" der (sehr auf Milch betonten) Rasse Holstein erstmals die 200.000-Kilo-Schallmauer geknackt.

Hier das Video von August:

Villach: Nelly ist die leistungstärkste Milchkuh der Welt