Es gibt Begriffe, die werden im Nachhinein, wenn die „neue Normalität“ nicht mehr ganz so neu und andersartig ist, untrennbar mit der Coronakrise verbunden sein. Des Kanzlers Lieblingsphrase hat ebenso die Aufnahmeprüfung ins kollektive Gedächtnis geschafft wie „Ausgangsbeschränkung“, „Mund-Nasen-Schutz“ und: „Systemrelevanz“.
Offenbar musste eine Krise kommen, um die systemimmanente Bedeutung hinter vielen Berufen zu sehen. Von der 24-Stunden-Pflegerin bis zum Erntehelfer.
Dennoch ist beim Wort „systemrelevant“ Vorsicht geboten. Weil es aus- und nicht alle mit einschließt. Das zeigen die zuletzt an Lautstärke gewinnenden „Warum darf der das und mein Betrieb nicht“-Aufschreie. Wem die Haare zu Berge stehen, für den wird bald ein Frisiersalon systemrelevant sein. Wer ein kaputtes Auto hat, für den ist es die Werkstatt. Und nach sechs Wochen daheim kochen werden nicht nur für viele Kulinarikorientierte der Wirt und die Buschenschank systemrelevant. Auch für ein funktionierendes Wirtschaftssystem ist ein intakter Tourismus relevant. Sonst gibt es Zigtausende Arbeitslose.
Wir lernen: Am Ende des Tages ist jeder Mensch systemrelevant.
Ulrich Dunst