Mehr als als zwei Wochen nach den Todesschüssen in Stiwoll ist der mutmaßliche Doppelmörder Friedrich Felzmann (66) noch immer auf der Flucht. Und noch immer ist die Angst in der kleinen Gemeinde am westlichsten Rand des Bezirkes Graz-Umgebung allgegenwärtig.

Viele der Ortsbewohner befürchten, der Gesuchte könnte noch versuchen, „offene Rechnungen zu begleichen“, obwohl die Fallanalytiker des Bundeskriminalamtes das für unwahrscheinlich halten.

Mit der Schaufel

Felzmanns Bruder Alfred und dessen Frau lebten schon seit Jahren in Todesangst. Sie hätten ständig damit gerechnet, dass er ihnen etwas „Furchtbares antun“ würde, lassen sie durchklingen. Vor einigen Jahre habe Friedrich Felzmann den verhassten Bruder sogar mit der Schaufel erschlagen wollen, erzählt man sich im Ort. Anzeige wurde keine erstattet. Alfred Felzmann bestätigt es, will aber über die Vergangenheit nicht mehr reden.

Der unendliche Streit um das Wegerecht (Servitut) hat seine Wurzeln in einer Bauangelegenheit vor 40 Jahren. Damals errichtete Alfred Felzmann einen Schweinestall. Für einen Zubau (Streuhütte) benötigte er einen zwei Meter breiten Grundstreifen von seinem Bruder. Friedrich Felzmann, der jüngere der beiden, der die Landwirtschaft der Eltern geerbt hatte, willigte ein, gab Alfred den Grund. Kein Vertrag schien nötig, per Handschlag wurde der Deal besiegelt. Ein fataler Fehler, wie sich 30 Jahre später herausstellen sollte.

Abbruchbescheid

„Über Nacht“ habe Friedrich Felzmann einen Abbruchbescheid für den Schweinestall beantragt, erinnert sich Altbürgermeister Josef Brettenthaler. Um einen Abbruch zu verhindern, musste das Ehepaar einen hohen Preis bezahlen. Friedrich Felzmann habe seinen Bruder und dessen Frau regelrecht erpresst. Tausende Euro hätten die paar Quadratmeter gekostet – und das Wege- und Wasserrecht, weiß der Altbürgermeister.

Das war aber noch nicht alles: Felzmann stellte eine weitere Bedingung. Auch die übrigen Nachbarn – die ohnehin andere Zufahrtsmöglichkeiten haben und den Weg durch das Felzmann-Anwesen nur noch ganz selten benutzten – sollten auf das Servitut verzichten.

Der Pfarrer habe zu vermitteln versucht, aber keine Einigung zustande gebracht, weiß man im Ort. Von da an zählte auch er zu Felzmanns Feinden. Pater Stephan Varga erinnert sich: „Ja, es stimmt, ich habe vermittelt.“ Sprechen will er darüber aber nicht mehr.

Wegestreit

Seit nunmehr neun Jahren dauert der Wegestreit schon, seit neun Jahren wird vor Gericht prozessiert. Friedrich Felzmann fühlte sich im Recht, obwohl das Gericht bereits einmal gegen ihn entschieden hatte. Er sperrte die Durchfahrt ab, entfernte den Asphalt.

In all den Jahren legte er sich mit Gerichten, Staatsanwälten, Rechtsanwälten, Gutachtern, Politikern und vielen Ortsbewohnern an. Er verteilte Flugblätter, nahm Videofilme auf, stellte sie auf die Videoplattform Youtube und fuhr mit seinem Traktor und der Aufschrift „Heil Hitler“ vor dem Landesgericht vor. Aus tiefer Kränkung, so Profiler Werner Schlojer, habe Felzmann am 29. Oktober 2017 die Tat verübt.

Die drei Töchter – sie sind mittlerweile Besitzerinnen des Anwesens – wollten den Wegestreit beenden. Ihr teilentmündigter Vater wartete, bis die Nachbarn auf dem Anwesen waren – und drückte ab. Gerhard Enzi (64) und Adelheid Hausegger (55) waren sofort tot. Martina Zettl (68) wurde angeschossen. Alfred Felzmann war hinter seinem Haus im Wald. Er habe die Schüsse gehört, sagt er, dann sei auch schon die Martina an ihm schreiend vorbeigelaufen.

Dass er seine Nachbarn erschießen würde, habe man ihm nicht zugetraut, meinen viele Stiwoller. Die meisten Bewohner sind ihm aus dem Weg gegangen, denn feindselig sei er schon immer gewesen. Er soll sogar mit Honig getrickst und seine Kunden betrogen haben, ist im Ort bekannt. Nächtens seien auf dem Hof Lastwagen vorgefahren und hätten Billighonig aus Ungarn angeliefert. Imker Felzmann füllte ihn ab – und verkaufte ihn als echten steirischen Bienenhonig, heißt es.

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