Am Landesgericht Graz ist am Donnerstag das Schöffengerichtsverfahren gegen den Klagenfurter Zahnarzt weitergegangen, dem vorgeworfen wird, über Jahre hinweg zahlreiche unnötige Behandlungen an Patienten durchgeführt und Leistungen überhöht an Sozialversicherungsträger verrechnet zu haben. Wobei am Donnerstag anfangs wenig weiterging, denn die Verteidigung hatte erst einmal einige Anträge: Zunächst wollte man das Protokoll eines Verhandlungstermins anhand der Tonbandaufnahme überprüfen. Diese Aufnahme existiere nach Verschriftlichung nicht mehr, erklärte Vorsitzender Andreas Lenz. Es sei eine „Gesetzwidrigkeit“, sie zu vernichten, erklärte Verteidiger Michael Dohr, weil so eine Kontrolle und Berichtigung des Protokolls nicht möglich sei.

Danach lehnte er den Sachverständigen wegen Befangenheit ab, weil der an einem Verhandlungstag gesagt habe, man könne „die Anklage ausweiten“. Der Antrag wurde abgelehnt, der Richter hat die Äußerung nicht gehört. Und der Sachverständige hat daran keine Erinnerung und es stehe auch nur der Staatsanwaltschaft zu, eine Anklage auszuweiten.

Auf Graz ausgewichen

Das Verfahren muss in Graz durchgeführt werden, weil es familiäre Beziehungen des Angeklagten zum Landesgericht Klagenfurt gibt. In Graz wurde ihm eine Diversion angeboten – Einstellung des Verfahrens mit hoher Geldbuße und Schadensgutmachung – die aber vom Oberlandesgericht wegen der Schwere der Straftat und aus generalpräventiven Gründen abgelehnt wurde. Deshalb lebte das Verfahren im Sommer wieder auf.

Der Gerichtssachverständige gab schließlich noch zu Protokoll, dass die „Provokationen“ gegen ihn weitergingen. Nicht nur, dass ihm – gerichtsbekannt – ein Privatdetektiv „nachgeschickt“ wurde, um zu überprüfen, ob er tatsächlich dreifacher Doktor und vertrauenswürdig sei. Zuletzt gab es auch noch eine Anfrage an die Gesellschaft der Gerichtsmediziner, ob er dort wirklich Mitglied sei. Das hänge „hundertprozentig“ mit diesem Verfahren zusammen, meint er. – „Das ist nur eine Vermutung“, wirft der Verteidiger ein. Auf Nachfrage des Richters bestätigt der Angeklagte aber: „Ja, diese Anfrage habe ich gestellt.“ – „Aber er ist ja Mitglied!“, sagt der Richter. – „Ja, aber es gibt andere Gesellschaften, wo er nicht Mitglied ist. Der Sachverständige täuscht wiederholt.“ Die Episode nutzt die Verteidigung, um neuerlich die Abberufung des Sachverständigen wegen Befangenheit zu beantragen. – Abgelehnt, denn „provoziert“ heißt noch nicht „befangen“.

Danach erst kann der Vertreter der Versicherung der öffentlich Bediensteten (BVAEB) aussagen. Dreimal sei der Vertrag mit dem Angeklagten gekündigt worden, nachdem „unsinnige Behandlungen“ festgestellt worden seien und der „Honorar-Maximierungswunsch“ des nunmehr Angeklagten eindeutig und anhaltend gewesen sei. Seine Abrechnungen seien zum Teil um „mehrere hundert Prozent“ über dem Schnitt aller Kärntner Zahnärzte gelegen. Mittlerweile ist die Kündigung nach dem Weg über das Höchstgericht rechtskräftig. Ein Kündigungsverfahren durch die ÖGK hängt bis zum Ende dieses Verfahrens in den Instanzen.

Es müssen noch zahlreiche Geschädigte einvernommen werden. Ein Ende des Verfahrens, das wie eine lange, intensive Zahnbehandlung wirkt, ist nicht absehbar.