Der Fall einer Steirerin, die in der Therme Bad Blumau einen Polizeieinsatz verursachte, weil sie ohne Bikini-Oberteil schwimmen wollte, sorgte am Donnerstag für Aufsehen. Weil „oben ohne“ der Hausordnung widersprach, schaltete die Thermenleitung die Exekutive ein, die Betroffene musste das Areal verlassen. Unter Protest, wie sie der Kleinen Zeitung sagte.

Video: Das sagen die Badegäste zu „oben ohne“

Aber was darf in einer Hausordnung überhaupt geregelt sein? „Grundsätzlich kann ein Eigentümer etwa in Form einer Badeordnung allgemeine Nutzungsbedingungen vorgeben, wenn er Bereiche der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt“, klärt Christoph Bezemek, Jurist an der Uni Graz, auf. Der Gesetzgeber darf diesbezüglich allerdings Einschränkungen vornehmen, erklärt der Experte. Etwa, wenn es um Grundrecht gehe, so darf eine Hausordnung beispielsweise nicht diskriminierend sein.

Christoph Bezemek ist Universitätsprofessor für Öffentliches Recht am Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft an der Uni Graz
Christoph Bezemek ist Universitätsprofessor für Öffentliches Recht am Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft an der Uni Graz © Uni Graz

„Konkret sieht das Gleichbehandlungsgesetz vor, dass es keine diskriminierenden Regelungen gibt – insbesondere hinsichtlich des Geschlechts“, führt Bezemek aus. Da Männer „oben ohne“ schwimmen dürfen, Frauen aber nicht, lässt sich im konkreten Fall für den steirischen Juristen nicht eindeutig sagen, ob die Hausordnung hier im Recht sei, sagt er. Das müsse im Fall des Falles ein Gericht klären. Bei der kuriosen Causa müsse man aber auch berücksichtigen, dass die Brust der Frau im Gegensatz zu jener des Mannes durchaus sexualisiert werde, was die Rechtslage verkompliziere. In Berlin wurde Frauen in ähnlich gelagerten Fällen von Richtern jedenfalls recht gegeben.

Nackt im Garten? „Ja, aber ...“

Die Sache mit der Nacktheit sei juristisch ohnehin nicht eindeutig geklärt, urteilt Bezemek, Universitätsprofessor am Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft an der Uni Graz. So könne man etwa im eigenen Garten hüllenlos in der Sonne liegen, wenn man darüber hinaus keine strafrechtlich relevanten Vergehen begeht: „Das ist im Fall des Falles eher ein Problem der Nachbarn“, lacht der Experte – nicht aber des Nackten. Im Optimalfall sollte der Ort aber nicht öffentlich einsehbar sein. Denn: Anstandsverletzungen müssten jedenfalls immer abgewogen werden. Deshalb könne man sich ohne Kleidung nicht in einen öffentlichen Park oder abseits von FKK-Bereichen in Freibädern, an Seen oder Flüssen legen, meint der Jurist.

Geregelt ist das im zweiten Paragrafen des Steiermärkischen Landessicherheitsgesetzes. Dort steht wortwörtlich: „Den öffentlichen Anstand verletzt, wer ein Verhalten setzt, das mit den allgemeinen Grundsätzen der Schicklichkeit nicht im Einklang steht und das einen groben Verstoß gegen die in der Öffentlichkeit zu beachtenden Pflichten darstellt“. Das sei zwar schwammig, sagt Bezemek, dennoch könne man davon ausgehen, dass ein komplettes Entblößen in einem öffentlichen Park eine Verletzung der Schicklichkeit darstelle. „Spannend dabei, dass sich diese gesellschaftlich tolerierte Schicklichkeit über Jahre ja auch wandeln kann.“

Bis zu ein Jahr Haft bei geschlechtlichen Handlungen

Noch weniger eindeutig ist die Rechtslage übrigens im Verkehr: Wer ohne Wäsch‘ mit dem Auto fährt, für den könnte das Landessicherheitsgesetz genauso greifen, wie die Straßenverkehrsordnung. „Man muss nämlich seinen Sorgfaltspflichten nachkommen“, erklärt Bezemek. Demnach sollte man auch nicht barfuß oder mit Flipflops fahren. Nacktheit sei nicht verboten, aber festes Schuhwerk aus versicherungstechnischen Gründen zu empfehlen. Ohne Kleidung könnte man andere Verkehrsteilnehmer außerdem ablenken und so das Unfallrisiko erhöhen. Zudem darf man durch fehlende Kleidung die Fahrsicherheit nicht beeinträchtigen, auch muss ein Gurt angelegt werden. Das nackte Aussteigen aus dem Auto könnte wieder als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.

Wobei auch das im Fall des Falles ein Richter klären muss. Denn der klassische Paragraf im Strafgesetzbuch, der sich mit der „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ beschäftigt, zielt längst vorwiegend auf geschlechtliche Handlungen ab. Diese sind an sich oder gemeinsam mit anderen bzw. vor Dritten in der Öffentlichkeit – auch in einsehbaren Privatgärten – untersagt und mit bis zu einem Jahr Haft bedroht.

Anmerkung: In der Erstversion des Artikels war irrtümlicherweise zu lesen, dass festes Schuhwerk beim Autofahren Pflicht sei.