Uniformen, Tüllkleider, barocke Anzüge hängen an unzähligen Kleiderstangen bis unter die Decke, auf einigen Regalen teilen sich Dreispitzhüte den Platz mit Astronautenhelmen. Andree Bardel-Kahr manövriert sich geschickt zwischen den 150.000 Kostümteilen und Requisiten in der Kostümwerkstatt der Bühnen Graz hindurch und verschwindet in einem Nebenraum. In einem unauffälligen Metallkasten lässt er einen Fellmantel und eine Uniform verschwinden, Tür zu, Schalter umgekippt, dann rumpelt es leicht. Ein eigenartiger Geruch verbreitet sich in dem kleinen Raum. „So riecht Ozon“, schmunzelt der Fundusmitarbeiter. Mit dem sogenannten Ozonschrank werden Kostüme ohne den Einsatz von Reinigungsmitteln und Wasser gereinigt und von Gerüchen befreit. „Saubere Kleidung für die Schauspieler und eingesparte Ressourcen, zwei Fliegen mit einer Klappe.“

Die Kostümwerkstatt ist nur einer der zahlreichen Bereichen, in denen die Bühnen Graz Konzepte umsetzen, um als Kulturinstitutionen nachhaltiger zu agieren. In den vergangenen Jahren wurden die einzelnen Häuser wie Oper, Schauspielhaus und Grazer Spielstätten immer wieder mit Umweltzertifikaten ausgezeichnet, zum ersten Mal wurde der Theaterkonzern nun in seiner Gesamtheit mit nachhaltigen Siegeln zertifiziert. „Uns ist wichtig, zu zeigen, dass Theater nachhaltig funktionieren kann, schließlich bekleiden wir als Kulturstätten auch eine Vorbildwirkung“, sagt Ingo Reinhardt.

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Bollerwagerl statt Auto

Der Nachhaltigkeitskoordinator der Bühnen Graz und „Zero Waste“-Coach weiß um die Herausforderungen, die Nachhaltigkeit in Verbindung mit großen Spielstätten bringt. „Unsere primäre Aufgabe ist einfach Kulturvermittlung und damit sich die Mitarbeitenden in den einzelnen Bereichen darauf konzentrieren können, übernehme ich die administrative Arbeit, die vielfach hinter nachhaltigen Konzepten steckt.“

Vom Konfetti zum wiederverwendbaren Blutpackerl, der Aufwand findet sich im Detail. So verzichten Bardel-Kahr und seine Kollegen aus der Kostümwerkstatt beim Transport der Kostüme auf einen fahrbaren Untersatz – Hosen, Hüte, Jacken, Kleider werden in einem roten Bollerwagerl von der Bürgergasse zum Opernring transportiert. Einmal quer über den Tummelplatz hinauf zur Burggasse, dann sticht die Ope hinter der Hausmauer ins Sichtfeld. „Wenn es regnet, decken wir die Kostüme natürlich ab, um sie vor dem Wetter zu schützen“, so Bardel-Kahr. So oft es geht, wird bei kurzen Transportwegen auf motorisierte Fahrzeuge verzichtet, betont auch Reinhardt.

Wiederverwertung als Schlüssel

Wenige Luftlinie entfernt, in der Pyrotechnik-Abteilung der Oper, wird ebenfalls auf Nachhaltigkeit gesetzt. Waffenmeister und Pyrotechnik-Experte Thomas Egger hat, versteckt im Irrgarten aus Gängen, seine Ideenwerkstatt eingerichtet. Luftdruckbehälter aus bereits verwendeten Konfettikanonen verwendet der Experte unter anderem für Spezialeffekte auf der Bühne wieder. „Wenn zum Beispiel Bücher aus einem Regal fallen sollen, nutze ich die Luftdruckbehälter, um den benötigten Luftstoß zu erzeugen. Allgemein versuche ich, so viele Teile wie möglich wiederzuverwenden“, so Egger, und zeigt daraufhin auf kleine Nebelmaschinen, die er aus Teilen von E-Zigaretten zusammengebastelt hat. „Damit erzeugen wir die Illusion, wenn ein Kleidungsstück auf der Bühne zu ,brennen‘ beginnt.“ Auch Plastikkonfetti hat er aus seinem Repertoire verbannt, nur Papier kommt noch zum Einsatz. „Auch die Kartuschen, in denen sich die Konfetti befinden, sind aus Karton, den ich dann für andere Dinge wiederverwerte.“

Wiederverwendung ist auch das Motto des Orpheums, wo Geschäftsführer Bernhard Rinner und sein Team dabei sind, ein Mehrwegsystem umzusetzen. „Diese Umstellung ist ein Prozess, der nicht mit einem Mal abgeschlossen ist, sondern Zeit in Anspruch nimmt, da Mitarbeitende, Veranstalter und auch die Konzertgäste involviert werden müssen.“ In Zukunft will die Konzertstätte zudem mithilfe von Solarzellen einen Teil der benötigten Energie für Veranstaltungen selbst erzeugen. Dass eine komplett nachhaltige Erzeugung von Strom für Veranstaltungen, die von Licht- und Tontechnik leben, ein Wunschtraum ist, weiß Rinner: „Solarzellen reichen natürlich nicht aus, ein ganzes Konzert zu sichern, können aber Spitzen des Stromverbrauchs abfangen – das wäre eben das Ziel.“

Stolz ist Rinner auch auf das Siegel „Green Event“ für Klanglicht. „Auf den ersten Blick ist ein Event, das Strom für Klang und Licht braucht, natürlich nicht nachhaltig“, schmunzelt er. „Doch mit der Freifahrt mit den Öffis und einem Mülltrennsystem an den Gastroständen haben wir versucht, eine möglichst nachhaltige Durchführung der Veranstaltung umzusetzen. Das ist uns gelungen.“