Bereits 61 Beschwerden wegen digitaler Diskriminierung sind heuer bei der Antidiskriminierungsstelle Steiermark eingelangt, berichtet Leiterin Daniela Grabovac. Der rasante Fortschritt mache besonders älteren Personen zu schaffen. „Derzeit ist die Umstellung von Handysignatur auf ID Austria ein Thema“, sagt Grabovac. Während die digitale Welt von Instagram, Online-Shopping, Behördenaktivitäten bis Banküberweisungen für die einen dem Schuhe-Anziehen gleicht, stellt sie andere vor große Herausforderungen. Die Organisation „Logo Jugendmanagement“ hat deswegen ein Projekt gestartet.

Digitale Sozialisierung vs. Neuland

„.Da wischen Sie einmal hinauf, jetzt nach rechts“ – Franklyn Osabuohien-Onasuyi (15) spricht ruhig, als er Heide Hoschek die Installation einer App erklärt. Frankyln besaß mit neun Jahren sein erstes Handy. Frau Hoschek ist 88 Jahre alt und wuchs ohne Handy, Tablet oder PC auf. „Ich muss zuerst einmal überlegen, wie ich ,swipen‘ oder ,einloggen‘ erkläre“, sagt Franklyn, der zu den „Digital Natives“ zählt – jener Generation, die in frühester Kindheit mit digitalen Medien sozialisiert wurde.

Franklyn erklärt Heide Hoschek das Installieren einer App am Handy
Franklyn erklärt Heide Hoschek das Installieren einer App am Handy © KLZ/Stefan Pajman

Der Schüler wurde mit 20 anderen Jugendlichen von „Logo“ im Sommer ausgebildet, für seine Tätigkeit erhält er Punkte, die er gegen Bücher-, Gastro- oder Kinogutscheine einlösen kann. Franklyn hält Erklärworkshops in Seniorenheimen oder hier im Mehrgenerationenhaus Waltendorf in Graz. Karin Steffen, die das Haus ehrenamtlich leitet, ist dankbar. Die Nachfrage sei groß. „Mir macht es viel Spaß“, sagt dazu Franklyn.

Wie Jugendliche Senioren etwas erklären, sieht ansatzweise so aus:

„Entschuldige, was heißt einloggen?“, unterbricht Heide Hoschek den 15-Jährigen. Franklyn erklärt es ihr – wichtig: Er bleibt geduldig und spricht langsam. „Wenn mir wer etwas digital zeigt, sagt die Person oft ‚Schau, ist eh ganz einfach‘. Aber das geht oft so schnell, ich muss das aufschreiben, damit ich es mir merke“, erzählt der 72-jährige Gert Ribitsch, „oder es selbst probieren.“ So meint Franklyn: „Ich lasse es die älteren Herren und Damen selbst machen und gebe nur Anweisungen.“

GIFs bis nach China

Zuletzt hielt eine Kollegin von Frankyln einen Workshop zum Thema „GIFs“ im Mehrgenerationenhaus (GIF: Grafikformat aus mehreren Einzelbildern, die nacheinander wie ein Kurzvideo abgespielt werden). Das hat Herrn Ribitsch gefallen: „Ich werde meinen Freunden in China und Indonesien, wo ich beruflich viel war, nächste Woche tolle Weihnachtsgrüße als GIF senden, die werden schauen.“ Frau Hoschek hat ihrem Enkel ein Frosch-GIF geschickt: „Cool, Übung macht den Meister!“, antwortete dieser.

Laut Daniela Grabovac von der Antidiskriminierungsstelle ist die Umstellung von Handysignatur auf ID Austria ein großes Thema
Laut Daniela Grabovac von der Antidiskriminierungsstelle ist die Umstellung von Handysignatur auf ID Austria ein großes Thema © KLZ/Hütter

Wunsch nach zentraler Stelle

Die Senioren sind zwar aufgeschlossen, doch vieles sei zu unverständlich. Mit der Handysignatur braucht man Gert Ribitsch gar nicht zu kommen. „Das Installieren ist dermaßen kompliziert“, sagt er. „Das schaff‘ ich nicht, ich mach‘ die Unterschrift per Post“, sagt Hoschek. Angst habe sie zudem, wenn sie private Daten hergibt, wo diese landen. Immerhin bekommt sie auch oft Fakeanrufe, wo jemand Geld von ihr will. Ein Online-Konto käme für die 88-Jährige nicht infrage. „Blöd“ fühlt sich die Pensionistin außerdem, wenn sie ständig um Hilfe in digitalen Angelegenheiten bitten muss.

Heide Hoschek fühlt sich bei digitalen Fragen oft „blöd“, obwohl sie weiß, „das bin ich nicht“
Heide Hoschek fühlt sich bei digitalen Fragen oft „blöd“, obwohl sie weiß, „das bin ich nicht“ © KLZ/Stefan Pajman

Was sich beide Senioren wünschen würden, wäre eine zentrale Stelle, an die man sich mit individuellen Fragen wenden kann. Quasi ein Amt, wo eine reale Person sitzt, mit der man reden kann. Oder mehr „Sprechstunden“ mit Jugendlichen wie Franklyn.

Gert Ribitsch wünscht sich mehr Geduld, wenn er jemanden fragt
Gert Ribitsch wünscht sich mehr Geduld, wenn er jemanden fragt © KLZ/Stefan Pajman

Digitale Diskriminierung trifft viele Gruppen

Doch nicht nur Ältere werden durch die Digitalisierung diskriminiert, sondern auch Personen mit Behinderung oder jene mit einem niedrigen Haushaltseinkommen. „Ökonomische Rahmenbedingungen spielen im Zuge der digitalen Transformation eine bedeutende Rolle“, stellt eine Untersuchung der FH Joanneum fest. Ungleichheit und Ausgrenzung entstehen. Als Lösung wird in Studien genannt, dass öffentliche Dienstleistungen im digitalen Raum leichter zugänglich, barrierefreier und benutzerfreundlicher gestaltet werden sollen. Eva Gföller, „Logo“-Projektleiterin, sagt: „Man darf nicht Dinge für gegeben voraussetzen, nur, weil sie mir selbst natürlich erscheinen.“

Eva Gföller von „Logo“-Jugendmanagement
Eva Gföller von „Logo“-Jugendmanagement © KLZ/Stefan Pajman