Marco Schwarz stand bei starkem Schneefall im Zielraum in Kranjska Gora. Der Radentheiner lag da im Slalom auf Platz sechs, sein schärfster Konkurrent um die kleine Kristallkugel, Ramon Zenhäusern (SUI), war Zweiter. Dann ging der Führende nach dem ersten Lauf, Clement Noel, auf die Piste. Der Franzose musste vor Zenhäusern bleiben oder hinter Schwarz landen, damit das ÖSV-Ass vorzeitig Torlauf-Kristall sein Eigen nennen konnte. Schwarz konnte nicht hinsehen, ging hinter der Zielbande in die Hocke. Selbst als der Platzsprecher den Sieg von Noel verkündete hatte, verharrte der 25-Jährige in der Hocke, total in Gedanken versunken.
Als seine Teamkollegen wie Manuel Feller, Fabio Gstrein, Adrian Pertl & Co. ihm schon gratulierend auf die Schultern klopften, rührte sich der Kärntner noch nicht. Scheinbar lief innerlich ein Film ab, den er seit seiner Kindheit träumte: einmal Slalom-Kristall gewinnen. Auch nach dem Aufstehen brach Schwarz nicht in großen Jubel aus, freute sich still, wie alle es von ihm gewöhnt sind, auch im Moment des Erfolgs. Am Morgen dieses historischen Tages, es ist die erste Weltcupkugel für Österreichs Herren nach dem Ende der Hirscher-Ära, sah es nämlich gar nicht nach einem Triumph aus.
"Ganz ehrlich: Erst als ich wirklich am Start stand, wusste ich, dass ich auch fahren werde. Beim Einfahren schmerzte der Rücken noch extrem. Noch vor dem Rennen mussten die Physiotherapeuten bei mir Hand anlegen", gab "Blacky" zu. Aber: "Im Rennen habe ich dann nichts gespürt, was sicher auch mit dem Adrenalin zu tun hat." Im ersten Durchgang zeigte Schwarz bei starkem Schneefall und Nebel "einen soliden Lauf, mehr musste ich auch nicht tun". Er fand sich auf Platz sechs wieder. Zenhäusern war Dritter. Da sich der Schweizer im Finale auf der vom Wetter zur "Rumpelpiste" gewordenen Piste nicht verbessern konnte, reichte Schwarz Rang sieben im Endklassement. 122 Punkte Vorsprung - er ist beim Finale in Lenzerheide nicht mehr einzuholen.
"Ramon musst du bei diesen Verhältnissen immer auf der Rechnung haben. Der Zustand der Piste im Finale war mehr als grenzwertig, auf so einer schlechten Unterlage bin ich schon lange nicht mehr gefahren. Ich bin froh, dass es für Kristall gereicht hat", sprudelte es dann aber aus dem neuen Slalom-Weltcupsieger heraus. Erstmals an den Gewinn der Torlaufwertung gedacht habe er "nach den beiden Rennen Ende Jänner in Chamonix. Danach hatte ich die Kugel im Blick, sie wurde zu meinem fixen Ziel."
Der Zeitpunkt des Erfolges war aber auch einer, in denen Schwarz zunächst "Danke" sagen wollte. Und zwar vielen Beteiligten: "Allen Physiotherapeuten, die in den vergangenen Tagen mit mir Schwerstarbeit hatten, meiner Familie, dem gesamten Trainerteam, der Ski-Firma, meinem Servicemann. Es war ein eingespieltes Team notwendig, damit ich mir meinen Kindheitstraum erfüllen durfte."
Dass Schwarz diese Saison schon so weit war, das hatte ihm selbst Herren-Cheftrainer Andreas Puelacher zu Beginn der Saison nicht zugetraut. "Erst als Marco immer konstanter wurde, sich technisch stets verbesserte, bin auch ich optimistischer geworden. Mit seinem heutigen Auftritt hat er bewiesen, dass er wirklich der beste Slalomläufer ist." Schwarz habe im ersten Lauf genau das getan, was nötig gewesen sei. Und nur in den ersten Toren des zweiten Laufs habe er nicht so stabil gewirkt, wie gewohnt. "Aber dann wurde die Fahrt von Meter zu Meter besser und ich zuversichtlicher." Für Puelacher heißt das: "Marco hat heute sein Meisterstück geliefert."
Ein Meisterstück, für das Schwarz kommenden Sonntag in Lenzerheide eine (kleine) Kristallkugel bekommt, die 16. für Österreich. Vor ihm hat mit Rainer Schönfelder erst ein Kärntner diese Wertung gewonnen, insgesamt ist "Blacky" der achte Österreicher. Klar, dass dieser Erfolg für ihn "die Krone dieser Saison" ist: "Um Kristall zu gewinnen, musst du über den gesamten Winter deine Leistung bringen. Daher hat es für mich einen extrem hohen Stellenwert!"
Von Slowenien ging es für den 25-Jährigen die wenigen Meter nach Hause zur Familie: "Dort werde ich mich in den nächsten Tagen erholen, meinen Rücken therapieren und mich auf das Weltcup-Finale in Lenzerheide vorbereiten. Ich kann jetzt ganz relaxt in die Schweiz fahren." Geplant sind dort ein Einsatz in Slalom und Riesentorlauf, den Super-G wird Schwarz auslassen; nicht zuletzt aus Rücksicht auf den Rücken.
Joschi Kopp