"Ich habe gehadert - nicht mit der Platzierung, sondern vielmehr mit dem Gefühl", erzählte Marcel Hirscher. "Jetzt ist ein Gefühl wieder da, wo ich sage: Okay, ich kann wirklich Gas geben."
Die Atmosphäre in Schladming, wo der 29-Jährige seine erste große Weltcup-Kristallkugel gewann und 2013 erstmals Weltmeister wurde, lässt auch Hirscher nicht kalt. "Es sind noch einmal 5.000 Leute mehr als in Kitzbühel beim Slalom, und es ist einfach noch einmal spezieller in der Nacht", sagte der Salzburger kurz vor Mitternacht.
Das Glücksgefühl halte "zumindest bis jetzt, und sicherlich morgen auch noch. Man kann nur Danke sagen, dass wir in Österreich solche Bewerbe haben können", so Hirscher.
Die Freude sei nicht unbedingt wegen seines 68. Weltcup-Siegs so groß, sondern weil er nach Material-Unstimmigkeiten wieder in die richtige Spur gefunden habe. "Wir haben den kleinen Störfaktor finden können", zeigte sich Hirscher erleichtert.
"Es geht darum, das zeigen zu können, was das Maximum ist, und nicht dass man irgendwie das Gefühl hat, man ist ein bissel begrenzt." Das sei zumindest in den beiden Slalom-Klassikern Wengen und Kitzbühel im ersten Durchgang der Fall gewesen.
Als Wengen-Dritter und Kitzbühel-Zweiter sei er zwar "happy über die Platzierung" gewesen, "aber nicht über die Performance selbst". Im Ennstal habe nun beides gestimmt. "Schon bei den ersten drei Toren habe ich ein Gefühl gehabt, wo ich gesagt habe: Okay, cool, das fühlt sich wieder so an, wie ich das schon einmal gewohnt war und auch kenne." Am Ende hatte Hirscher bei seinem dritten Nightrace-Sieg nach 2012 und 2018 1,21 Sekunden Vorsprung auf den Franzosen Alexis Pinturault.
Gewagt: "Heute verwette ich mein Geld, der Feller macht das"
In den vergangenen zwei bis drei Wochen habe sein Team "unfassbar" geackert und getüftelt, um Hirscher wieder die Sicherheit mit dem Material zu geben, die er brauche. Als Dank gab es im Zielraum eine prompte Champagnerdusche für Trainer Michael "Mike" Pircher. "Die haben mir teilweise schon leidgetan", betonte Hirscher. Auch sein Vater Ferdinand habe "von der Früh bis am Abend mitgeholfen. Da war halt schon bei uns allen der Druck sicherlich spürbar."
"Ich glaube, sein Formtief hat er überwunden", meinte ÖSV-Kollege Marco Schwarz trocken. "Zweimal Laufbestzeit vor so einer Kulisse, da kann man nur den Hut ziehen", sagte der fünftplatzierte Kärntner, der bei der WM zum Vielfahrer werden und Kombination, Teambewerb, Riesentorlauf und Slalom bestreiten könnte. Hirscher dagegen wird sich auf Riesentorlauf und Slalom in der zweiten Woche konzentrieren, die Reise nach Schweden ist vorerst für den 13. Februar geplant.
Alles zu den Promis beim Nightrace!
Zu einer tiefen Verneigung setzte auch der Schladming-Dritte Daniel Yule an. Hirscher sei "wahrscheinlich einer der besten Sportler dieses Jahrhunderts, wenn nicht aller Zeiten. Er hat so viele Grenzen verschoben", zollte ihm der Schweizer Respekt. "In der Schweiz haben wir Roger Federer, aber ich sehe Marcel definitiv in derselben Kategorie. Mit fällt niemand anderer ein, der so lange seinen Sport dominiert und mit so einer Konstanz."
Keine Unbeschwertheit
Das Resultat seiner Dominanz habe ihm nichtsdestotrotz einiges abverlangt, betonte Hirscher. Seine persönliche Freiheit sei verloren gegangen, erzählte er einem schwedischen TV-Team. Der höchste Preis "ist sicherlich manchmal die Unbeschwertheit, mit Freunden auf ein Bier zu gehen. Das geht nicht mehr".
Auch für Felix Neureuther dürfte das wohl in Österreich nicht ganz einfach sein, Bekanntheits- und Beliebtheitswerte des Deutschen sind im Nachbarland atypisch hoch. "Die Leute sind irre. Ich weiß nicht, warum der eine oder andere mich hier mag. Aber ich liebe sie auch", sagte Neureuther nach seinem achten Platz. Ob es 2019 sein letzter Auftritt auf der Planai-Bühne war, wollte er weder bestätigen noch dementieren. Seine Gesten in Richtung Publikum nach seinem zweiten Lauf sahen aber doch etwas nach Abschied aus.