"Wartets ab“, hatte Marcel Hirscher in Schladming auf die Frage, wie es denn nach zwei Niederlagen im Slalom bestellt sei, geantwortet. „Wartets ab, bis es einmal wirklich passt.“ Und dabei hatte er verschmitzt gelächelt. Vielleicht hatte er ja da schon gewusst, dass es wieder da war, das Gefühl. Und wenn Marcel Hirscher das Vertrauen hat, das Gefühl, volles Risiko gehen zu können, dann ist und bleibt er wie von einem anderen Stern.
Schon im ersten Lauf war er dem Feld um zumindest 0,99 Sekunden enteilt, einen größeren Vorsprung hatte er noch nie gehabt. Gebremst hat ihn das nicht, im Gegenteil, eher nahm es ihm die letzten Hemmungen, entfesselte ihn. Er ließ sich selbst von der Leine, wie er einmal sagte.
Das Ergebnis war damit nur ein logisches: Marcel Hirscher carvte unter dem Jubel der 45.200 zwischen Fahnen und bengalischen Feuern zum Sieg. Dem dritten in Schladming, dem zehnten in dieser Saison und zum 68. Weltcupsieg seiner Karriere. Und auch, wenn das an diesem wunderbaren Slalomabend beinahe unterging: Dank des Sieges hat sich Marcel Hirscher bereits Ende Jänner die erste Kristallkugel des Jahres praktisch gesichert. 275 Punkte liegt er in der Spezialwertung vor dem im ersten Lauf ausgeschiedenen Franzosen Clement Noel, bei nur noch zwei ausständigen Rennen und dem City-Event in Stockholm ist er damit kaum noch von der Spitze zu verdrängen. In Stockholm müsste er nur eine Runde überstehen, um alles zu fixieren.
Ob sich Marcel Hirscher all dieser Zahlen selbst bewusst war? Wohl kaum, sie sind nicht seine Welt. Aber während er auf Ski den Arm in den Nachthimmel reckte und den Jubel der Fans genoss, lächelt er. „Es macht wieder Spaß, es macht wieder Freude“, sagte der 29-Jährige und meinte damit das komplexe System an und unter seinen Füßen. „Ich muss dem Team danken, wir haben in der letzten Woche seit Wengen wieder einmal alles umgedreht. Und wir haben etwas gefunden.“ Was es war, das wollte er wie so oft nicht sagen. Angeblich handelt es sich um ein kleines, einfaches Detail. „Es ist nur ein Zentimeter, aber der Zentimeter bedeutet mir die Welt“, sagte er. Nicht nur ihm, wenn man die Stimmungsexplosion auf der Planai miterlebte.
1,21 Sekunden war Hirscher, der auf Ski scheinbar Außerirdische, dem Feld enteilt. Und während für Noel und auch Henrik Kristoffersen das Rennen diesmal nicht ins Ziel brachten, zeigte Alexis Pinturault wieder auf, fuhr nach Platz drei in Kitzbühel in Schladming auf Platz zwei. „Es wird wieder konstant“, meinte der Franzose, der damit auch Daniel Yule auf Platz drei verwies. Der Schweizer war hier auch 2018 schon Dritter gewesen. „In Österreich zu fahren, ist ein Wahnsinn, die Leute sind so skibegeistert, die Stimmung ein Wahnsinn“, schwärmte der Sieger von Madonna die Campiglio.
Und die anderen Österreicher? Zeigten sich wieder stark. Marco Schwarz fuhr nach leicht verpatztem ersten Lauf („Ich habe dann Ski und Schuhe gewechselt, dann hat’s gepasst“) auf Platz fünf, Marc Digruber fuhr auf Rang sieben, war erst drei Mal besser. Christian Hirschbühl als Zehnter, Michael Matt (13.) und Johannes Strolz (20.) sorgten abermals für ein großartiges mannschaftliches Ergebnis, nur Manuel Feller schied im ersten Lauf aus, wie schon in Kitzbühel. Und ob aller Hirscher-Superlative ging der vielleicht wahre Sensationsmann des Abends fast ein wenig unter: Der Bulgare Albert Popow, schon in Kitzbühel Neunter, fuhr auf Rang sechs.