Josef "Sepp" Brunner (60) hat im April 2017 das Amt des Abfahrtstrainers bei den österreichischen Skiherren angetreten. Der Steirer arbeitete davor seit 1997 in der Schweiz, sieben Jahre lang als Trainer von Sonja Nef, seit 2004 und 13 Jahre lang als Trainer bei Swiss Ski von Slalom bis Abfahrt.
Im Interview mit der APA in Kitzbühel sprach Brunner über den Rücktritt des Schweizers Patrick Küng, die Herausforderung Streif, das Preisgeld, den Reisestress und das österreichische Team.
Ex-Weltmeister Patrick Küng hat seinen Rücktritt erklärt, er habe gespürt, mit den Besten nicht mehr mithalten zu können, eine in Wengen zugezogene Gehirnerschütterung gab letztlich den Ausschlag. Der richtige Zeitpunkt?
"Der Abfahrtssport ist die Königsdisziplin, das verlangt den Burschen alles ab. Wenn der Kopf nicht mehr mitspielt, wie Patrick Küng richtig sagt und auch gemerkt hat, dann ist der richtige Zeitpunkt, dass ein Athlet sagt, 'nein, ich kriege das nicht mehr hin'. Und mit dem Alter wird es auch nicht einfacher, dass man das wieder in den Griff bekommt, wenn man sich nicht mehr überwinden kann. Dann ist der Zeitpunkt da, auf der Abfahrt aufzuhören."
Zollen Sie solchen Entscheidungen Respekt?
"Ich finde ja. Patrick Küng ist Weltmeister geworden, er war in sehr vielen Abfahrten sehr schnell. Er hat einmal zu den Besten gehört, aber die Zeit kommt bei jedem irgendwann einmal. Ich kann mich noch erinnern (als er Schweizer Abfahrtstrainer war/Anm.), unser Ausnahmeathlet war Didier Defago, der bis zum letzten Rennen alles gemacht hat, noch Zweiter in der Abfahrt geworden ist und dann aufgehört hat. Er hatte es auch angekündigt. Er hat zu mir gesagt, sobald du merkst, dass du vom Training her Probleme hast, dass es mühsam wird oder du anfängst nachzudenken, was passiert, dann musst du aufhören."
Der Tiroler Romed Baumann hat nach dem ersten Abfahrtstraining in Kitzbühel sehr offen darüber geredet, dass er sich überfordert gefühlt habe und die Fahrt abbrach. Wie sehen Sie das?
"Ich hatte auch das Gefühl, dass er nicht parat war, sonst hätte er nicht abgeschwungen. Er hat geglaubt, die Kante ist weg. So wie es jetzt präpariert ist, musst du relativ voll draufgehen, sonst hast du keinen Grip. Das kann ja auch passieren, was ihm passiert ist. Er muss sich darauf einstellen, eine gute Trainingsfahrt fahren, bereit sein. Sonst wird es schwierig, dass wir ihn aufstellen können. Wir müssen die runterschicken, die sich trauen. Kitzbühel ist nicht jedem seins. Es gibt in jeder Nation Leute, die Kitzbühel nicht wollen. Manche lieben es. Du musst ein wilder Hund sein in Kitzbühel."
Liegt es daran, dass Passagen drinnen sind, wo Achtsamkeit allein nicht reicht, wo man sich auch überwinden muss?
"Das ist so. In den ersten drei Rennen haben wir Trainer nie einen Ski hergerichtet, hier musst du jeden Tag die Ski herrichten, dass du runterkommst - als Trainer! Da muss man schon einen Respekt haben, wenn ein Athlet einmal sagt, nein, das ist mir zu schwierig. Und Respekt vor allem vor denen, die sich voll trauen und alles riskieren. Da muss ich auch sagen, dass man nachdenken muss, ob das Preisgeld reicht, das man den Athleten gibt (Sieger bekommt 74.000 Euro/Anm.). Wengen oder Kitzbühel ist meiner Meinung nach sehr unterbezahlt für das, was auf der Abfahrt geleistet wird. Das ist einfach die Disziplin, die auch gefährlich ist. Da müsste man den Athleten gegenüber schon mehr Respekt zeigen."
Was ist das Schwierigste an der Streif?
"Von der Überwindung her ist Kitzbühel immer eine Überwindung, ob die Piste eisig ist oder nicht. Wenn du vom Start wegfährst über die Mausefalle, dann in den Steilhang rein, dann der Hausberg, das ist einfach Überwindung. Kitzbühel ist Kitzbühel. Das ist vom Kopf her das Schwierigste."
Der Jänner hat es in sich, jeden Samstag ein Klassiker, die Speedfahrer haben kaum einen Ruhetag. Nicht die besten Voraussetzungen für die Streif.
"Heuer ist es brutal, für die Athleten ist das Hardcore. Wengen, die längste Abfahrt, dann Kitzbühel, die vom Kopf her schwierigste Abfahrt. Das sind unsere Highlights. Dann kommt Garmisch, auch ein großes Rennen und meistens sehr schwierig. Da muss man nachdenken, ob genug Erholung zwischendurch ist, ob man nicht das Programm ein bisschen anders gestalten kann, ein Technikerwochenende einschiebt, dass die Abfahrer eine Woche haben, wo sie daheim sein können und ein bisschen trainieren. Dann kommen sie sicher frischer zu einem Rennen und die Verletzungsgefahr ist nicht so groß. Die Athleten können sicher manchmal das Flugzeug nehmen, aber die Reiserei ist anstrengend. Die Serviceleute müssen alles mit dem Auto fahren, das sieht keiner. Darüber muss man aufseiten der FIS schon einmal nachdenken."
Wie beurteilen Sie die Leistungen Ihrer Abfahrer?
"Wenn Vinz (Kriechmayr/Anm.) einen Klassiker gewinnt, das ist schon super. Aber wenn Vinz nicht gewonnen hätte, hätten wir in Wengen nicht gut ausgeschaut. Ich war nicht ganz zufrieden, ich sehe ja immer die Mannschaft. Franz war auf einem guten Weg zu einem gutem Ergebnis, Mayer wäre auch sehr schnell gewesen, Reichelt hat auch Fehler gemacht. Fehler dürfen nicht passieren, da muss man weiterarbeiten. Sie wollten auch, es ist auch schön und wichtig. Aber wenn ich heute ständig vorne mitfahren will, müssen wir auch an den Sachen arbeiten, dass das nicht passiert, wenn einer um eine Kugel mitfahren will. Beat macht diese Fehler nicht."
Die Abfahrtskugel war ein erklärtes Ziel. Noch geben Sie die Hoffnung nicht auf, Beat Feuz abzufangen, oder?
"Nein, sicher nicht. Aber es wird schwierig in dieser Saison, dass wir ihm die Abfahrtskugel streitig machen. Er ist halt einer, der die Routine schon hat, das müssen von uns noch manche lernen, dass sie da halt oft einmal ein bisschen taktischer fahren bei gewissen Passagen und trotzdem vorne dabei sind. Beat kann das sehr gut. Er schätzt die Sachen richtig ein und macht deswegen auch wenig Fehler und ist dort extrem schnell."