Sie saß auf dem Stuhl der Führenden im Ziel der „Olympia delle Tofane“ und zitterte. Nicht wegen der Kälte, denn kalt war es in Cortina d’Ampezzo gestern wahrlich nicht. Im Gegenteil: Ramona Siebenhofer saß im strahlenden Sonnenschein, strahlte selbst und zitterte dennoch. Denn bis zur allerletzten Läuferin plagte der Zweifel im Hinterkopf die 27-Jährige.
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Der Zweifel, ob es sich wirklich ausgeht, ob ihr nicht doch noch jemand den so ersehnten Sieg wegschnappen würde. Erst als die Nummer 53 abgeschwungen hatte, war es gewiss: Die Steirerin feierte ihren ersten Weltcup-Sieg. Noch dazu in der Abfahrt, noch dazu auf der „Tofana“, der vielleicht klassischsten Abfahrt der Damen. Der Schlüssel zum Triumph, erklärte sie, sei das letzte Training gewesen , das – wie das Rennen – vom Super-G-Start gefahren wurde: „Und ich war nicht wirklich schnell. Aber im Rennen stand ich am Start, fühlte mich wohl und hatte ein klares Ziel: es besser zu machen.“ Und das gelang ihr vom ersten Meter an bestens. Siebenhofer lag ab dem zweiten Teilstück immer voran.
Das Ergebnis: Der erste Weltcup-Sieg, an den sie selbst „schon sehr lange nicht mehr geglaubt hat“. Denn: „Ich begann vor einiger Zeit an mir selbst zu zweifeln. Nach der gefühlt besten Fahrt aller Zeiten war ich 27. auf der Ergebnistafel. Da verlierst du irgendwann den Glauben!“ Zum Glück gab es andere, die das nicht taten. „Unser Trainer Roland Assinger, meine Eltern, mein Umfeld und vor allem mein Freund Talon hatten mehr Vertrauen in mich als ich selbst“, gestand sie.
Umso schöner und berührender war es, dass just beim ersten Sieg die Familie dabei war, Mama Renate und Tante Elisabeth feierten im Ziel mit Siebenhofer. „Das macht mich besonders stolz! Gerade Mama ist so selten dabei, weil wir daheim einen Bauernhof haben. Und sie ist so extrem nervös, wenn ich am Start stehe.“ Neben der Familie gab es aber zwei weitere Mosaiksteine: die Ex-Rennläuferin Christiane Mitterwallner etwa. Die Steirerin, selbst einmal Siegerin im Weltcup, ist heute Sportpsychologin und arbeitete im mentalen Bereich mit Siebenhofer. Und Bernie Arnitz, Siebenhofers Servicemann: „Er macht einen tollen Job!“
Einen tollen Job lieferte auch ihre Zimmerkollegin ab: Stephanie Venier fuhr auf Platz drei, ihr dritter Podestplatz. „Dabei hatte ich nicht das Gefühl, dass es eine gute Fahrt war“, bekannte sie, „deswegen habe ich mich auch geärgert, als ich im Ziel nur sechs Hundertstelsekunden hinter Stuhec war.“ Und doch gab es eine „Leidtragende“: Nici Schmidhofer, die in Cortina ein Zimmer mit dem Podest-Duo teilt und „eine schöne Aufgabe bekommen wird, weil sie die Schlechteste von uns war!“
Und dann waren da noch die beiden Damen, die ihr Comeback feierten: Conny Hütter war mit Rang neun zufrieden („Solide, aber ich will mehr“), Lindsey Vonn mit Platz 15 ganz und gar nicht: „Das Ergebnis entspricht nicht annähernd dem, was ich von mir erwarte.“ Heute kann sie nachlegen. Ab 10.30 Uhr, vom Originalstart.
Joschi Kopp