Nicht zuletzt der erneute Kreuzbandriss seiner Landsfrau Anna Veithmacht den Salzburger nachdenklich. "Bitterer kann es, glaube ich, nicht zuschlagen. Da fehlen dir die Worte", sagte Marcel Hirscher nach seinem Slalomerfolg in Adelboden.
Es tue ihm "unfassbar leid" für seine gleichaltrige Weggefährtin, mit der er in der Ski-Hotelfachschule Bad Hofgastein gemeinsam die Schulbank gedrückt hatte. "Es war so ein steiniger harter Weg, ich kann das nur von außen betrachtet beurteilen. Aber das war ja eine Tortur, wieder dahin zu kommen. Und dann endlich wieder in der Nähe vom Podium zu sein, im Riesentorlauf, ihrer stärksten Disziplin, die sie jemals hatte. Und dann hast du das wieder."
Aber wenn wer das aushalte, dann die Anna. "Sie wird hoffentlich bald wieder gesund sein. Egal, in welche Richtung das geht. Und dass sie wieder das tun kann, was ihr taugt."
Er jedenfalls sei jeden Tag, wenn er auf den Ski gewesen sei, dankbar, dass er nie etwas habe. "Als ich gestern ins Hotel gekommen bin, habe ich mir gedacht, bin ich froh, dass ich da gut runtergekommen bin. Denn das Risiko, das du gehst, ist halt einfach eigentlich nicht handelbar. Du gehst es ein, aber ob du es stehst oder nicht, weißt du, wenn du durchgefahren bist." Hirscher hatte am Samstag im Riesentorlauf einen fulminanten zweiten Durchgang hingelegt, der ihm auch den deutlichen Sieg im ersten Adelboden-Rennen brachte.
Der Weltcup befindet sich im Jänner in seiner Hochphase, es geht Schlag auf Schlag. Hirscher merkte an, dass Zeitmanagement da ganz wesentlich sei, er sich unter der Woche Tage zur Regeneration nehmen und trotzdem aber auch "Vollgas weitertrainieren" müsse.
Denn wie dicht das Programm für einen Athleten an einem Weltcupwochenende mit Lauf-Besichtigungen, Rennen, Medienterminen, abendlichen Startnummernauslosungen und Siegerehrungen ist, spüren die Läufer, sieht die Öffentlichkeit aber freilich nicht immer. "Gestern bin ich um neun im Zimmer gewesen und bin umgefallen. Wenn man dann solche Sachen hat, darf sich keiner wundern. Wir werden schon richtig geschliffen", sagte Hirscher.
In anderen Sportarten sei das undenkbar, im Skisport indes würden kaum die Jetlag-Zeiten eingehalten werden. "Wir kommen aus Amerika am Dienstag heim und am Freitag ist Hangfahren in Val d'Isere. Du bist schwindlig wie Sau, kennst dich hinten und vorne nicht aus, wo du bist."
Das sind die Sachen, auf die er "keinen Bock" mehr habe. "Aber die, die draufzahlen, sind die Fans, die Zuschauer, die bei der Auslosung stehen. Klar gehe ich hin, aber eigentlich denke ich mir, bin ich wahnsinnig. Ich muss körperliches Training machen, ich soll ausmassieren, ich soll mich erholen, damit ich morgen wieder gut bin." Dabei sei es freilich wichtig und schön, nahe bei den Fans zu sein.
Das Runterfahren sei das Wenigste, das sei ein sehr kleiner Teil vom Kuchen. "Der macht mir wahnsinnig viel Spaß. Den Rest muss ich halt akzeptieren", hat Hirscher die Wahl, sich zu fügen oder es zu lassen. Er wolle nicht nörgeln, nur aufzeigen. Es gehe ja fast allen gleich, er habe "halt das Glück, dass ich das sehr intensiv und sehr oft machen darf". Das bringt der Erfolg so mit sich.