Wer sich an die Anfänge erinnern kann, an die Widerstände und Zweifler, der hätte vor der ersten Auflage des Nachtslaloms in Schladming wohl kaum daraufgesetzt, dass es ihn überhaupt ein zweites Mal geben wird. Irrtum. Kaum ein Rennen wurde so schnell zum Klassiker, schaffte es so schnell, einen permanenten Platz im Weltcupkalender zu ergattern. Ein Rennen, das die Größten der Zunft in den Siegerlisten hat. Und doch sticht einer heraus.
Ein Stern geht auf
Benjamin Raich und Schladming, das war, wie man im Sport so schön sagt, eine Liebesbeziehung. Hier ging der Stern des Pitztalers so richtig auf, hier feierte er den ersten seiner 36 Weltcupsiege. Und wie. Es war der 7. Jänner 1999, damals war Schladming noch nicht zwei Tage nach dem Kitzbühel-Slalom angesetzt. Und Benjamin Raich, mit Nummer 28 ins Rennen gegangen, lag nur auf Platz 23. „Das war“, erinnert er sich, „eine Enttäuschung für mich. Zwar bin ich im Dezember fast bei jedem Rennen ausgefallen, aber nur einen Tag davor in Kranjska Gora als Dritter das erste Mal in meiner Karriere aufs Podest gefahren.“
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Raich stieg in den Sessellift zurück auf den Berg. Kurz zuvor hatte er sich die Ergebnisliste angesehen. 1,29 Sekunden Rückstand trennten ihn vom Führenden Jure Kosir. Und da schoss ihm der Gedanke in den Kopf: „Ich kann das gewinnen, das geht sich aus mit so einem Rückstand.“
Der Sessellift glitt nach oben, Raich blickte nach unten. Sah die Zuschauermassen, sah die Kameras, die Journalisten, dachte an den Sieg. „Und auf einmal habe ich mich gefragt, ob ich das überhaupt will - das Gewinnen. Diese vielen Leute, die Hysterie, ich hab mich fast ang'schissen“, offenbart er. Raich, damals 20 Jahre jung, fällte einen Entschluss: „Ja, ich will.“ Und es gelang.
„Das kann man nicht planen, dass es so aufgeht. Aber interessant ist, dass man sich offenbar bewusst für so etwas entscheiden kann“, sagt er 18 Jahre später. Nach dem Traumlauf folgte das Warten im Ziel, die Gespräche. Und die offenbarten ein weiteres Detail: Raich hatte - „aber unabsichtlich, ich hab es nur genommen, weil das Leiberl dünn war und keine Falten wirft“ - unter dem Rennanzug ein blaues Leibchen mit dem rot-gelben „S“ für „Superman“ an. „Und bei der Pressekonferenz wurde ich gefragt, ob ich meinen Ski-Pulli ausziehen kann - das hat dann irgendwie zum Tag gepasst.“ Es folgten drei weitere Siege in Schladming (2001, 2004, 2007). Einmal trotz „Mordsfehler“, beim letzten Mal „genau so, wie es sein soll. Ich hab zwei Wahnsinnsläufe runterlassen.“ Dazu kommen zwei weitere zweite und ein dritter Platz. „Und es kann kein Zufall sein, dass ich da so gut war, auch wenn ich sonst das Glück hatte, auch ziemlich viele andere Rennen zu gewinnen“, sagt er grinsend.
Der Lärm und die Begeisterung
Es sei, sagt Raich, die Atmosphäre, die ihn gefesselt hat. „Es gibt Athleten, die solche Massen bremsen. Mich hat es immer gepusht. Und dann ist es mir bei einem Nachtrennen immer gelungen, mich noch mehr zu fokussieren“, sagt Raich und verrät: „Vor dem Start bin ich immer ein wenig in den Wald gegangen. Und dann ist alles dunkel, du siehst nur das strahlende Licht über die Piste. Du hörst den Lärm, die Begeisterung. Es war der Schritt aus der Stille - und ich war ja einige Male der Letzte oben am Start zum zweiten Lauf - ins Rampenlicht.“
Es ist genau das, was Schladming für Raich so schnell zu einem „Klassiker“ gemacht hat, „zu einem einfach guten Event“. Auch wenn er ergänzt: „In Kitzbühel geht natürlich am Wochenende noch mehr ab. Aber Schladming, das ist was Eigenes. Ein Spektakel.“
Der "Flow-Zustand"
Eines, in dem es Benni Raich oft gelungen ist, in den sogenannten „Flow-Zustand“ zu kommen. „Wenn du im Tunnel bist, die Fans am Rand der Piste verschwimmen, es dir vorkommt, als ob alles ganz langsam und leicht geht, obwohl du schnell bist.“
Um dann nach dem Sieg umso brutaler herausgerissen zu werden - dann, wenn 50.000 Fans jubeln und völlig ausflippen. Und ihrem König huldigen. Denn der Thron in Schladming, der wird noch einige Zeit nur einem gehören: nämlich Benjamin Raich.