Nach vielen Verletzungen und mageren Saisonergebnissen hat knapp drei Wochen vor der WM im ÖSV-Damenskilager eine Ursachenforschung eingesetzt. Vor allem die immer länger werdende Verletztenliste gibt Anlass zu Sorge. Nun wird jeder Einzelfall untersucht.
Denn die Auswirkungen sind nicht nur persönlich, sondern mittlerweile auch sportlich gravierend. Im Slalom ist man seit über zwei Jahren ohne Podest, im Riesentorlauf setzte es kürzlich in Maribor eine historische Pleite. Lediglich ein Saison-Podestplatz in der Abfahrt durch Cornelia Hütter (2. in Abfahrt von Val d'Isere), die aber mittlerweile wie Eva-Maria Brem und Carmen Thalmann ebenfalls auf der Ausfallsliste steht, lassen aktuell keine großen Medaillen-Hoffnungen für die WM in St. Moritz zu.
Vermutungen, warum das seit Jahren durch Rücktritte und Verletzungen von Leistungsträgerinnen ausgedünnte Damenteam sieglos und in der Nationenwertung hinter Italien und der Schweiz nur Dritter ist, gibt es viele. Auch die, dass durch das lange Fehlen von Anna Veith und den jüngsten Ausfällen in praktisch jeder Disziplin der Druck auf die Jungen schlagartig groß geworden ist.
Guter Nachwuchs
Denn "Junge" hat der ÖSV ausreichend. Sehr gute sogar. Seit ein, zwei Jahren entstehe wie im Speed auch im Technikbereich eine Mannschaft, die Zukunft habe, betonte Damenchef Jürgen Kriechbaum und unterstrich seine Worte mit Zahlen. "Im Vorjahr hatten wir 26 Damen in den Weltcup-Punkterängen, das war absoluter Rekord. Heuer sind es, trotz aller Probleme, bereits 22."
Dass auf Youngsters wie die bereits zu konstanten Top-Ten-Fahrerinnen zählenden Katharina Truppe (20) oder Stephanie Brunner (22) nun schon viel Verantwortung liegt, ist Kriechbaum bewusst. "Aber das kann man nicht ausblenden, denn der Druck kommt von außen automatisch", will er das aber nicht als Ausrede gelten lassen.
"Damit muss man umgehen", weiß der Coach, der seit 2013 Rennsportleiter der Damen ist. "Wenn du später mal eine Medaillenkandidatin bist, wird eben von dir was erwartet. Wenn du die dicke Haut nicht hast, musst du früher oder später eine entwickeln."
Verletzungen hinterfragen
Was hingegen die vielen Verletzungen betrifft, glaubt selbst der erfahren Chefkoordinator mittlerweile nicht mehr nur an Zufall. "Man kann da nicht zwingend davon ausgehen, dass alles Pech ist. Sondern muss genau hinterfragen, was eine Rolle spielen kann", sagte der Coach und nannte mentale, psychische und körperliche Situationen sowie die Trainingsbedingungen oder das Material-Setup als Dinge, die zu hinterfragen seien.
Man müsse nun Punkt für Punkt abarbeiten, um zu einem halbwegs objektiven Bild zu kommen. "Dann wird man sehen, ob man sich im Bereich von Glück und Pech oder Zufall bewegt oder andere Komponenten eine Rolle spielen. Dann wird man auch Schlüsse ziehen können, ob es in unserem (der Trainer, Anm.) Bereich liegt oder dort, wo wir nicht Einfluss haben."
Kriechbaum deutete damit an, dass vor Verletzungen gewisse "Problemherde" vorhanden sein könnten, die dann zu Fehleranfälligkeit führen könnten. Olympiasiegerin Veith etwa hatte sich in einen monatelangen Streit mit dem Skiverband verwickelt, ehe im Oktober 2015 ein eher kleiner Trainingssturz zu einer massiven Verletzung führte.
Ein roter Faden
Riesentorlauf-Weltcupsiegerin Brem haderte massiv mit dem Material-Setup, als der Unterschenkel im Slalomtraining brach. Einen roten Faden gibt es. Auch Slalom-Leaderin Thalmann und zuletzt Speed-Ass Hütter zogen sich ihre schweren Verletzungen jeweils im Training zu.
Die ÖSV-Coaches wollen nun anhand aller Hinweise die Situation hinterfragen. "Stoßen wir auf Hinweise, liegt es in unserer Verantwortung, Dinge zu ändern", versicherte Kriechbaum. Im Moment sei es aber noch verfrüht bzw. noch nicht der richtige Zeitpunkt für Äußerungen dazu.
Insgesamt gehe es für das Team darum, sowohl in Zeiten von Erfolg aber auch Misserfolg kühlen Kopf zu bewahren. Kriechbaum: "Das Dreieck Trainer, Läufer und Servicemann braucht immer wieder Impulse, damit alles in richtige Richtung läuft."
Bei aller Kritik dürfe man die vielen und zum Teil noch eher jungen Hoffnungsträgerinnen aber auch von Verletzungen zurückgekehrte Läuferinnen wie Nicole Schmidhofer nicht übersehen. "Es ist also etwas da. Auch wenn es nach vorne hin noch einen gewissen Schritt braucht", betonte Kriechbaum.
An den Details feilen
Wer als erstes diesen Schritt ganz nach vorne schaffen könne, wisse derzeit noch niemand. "Aber man weiß auch von den Italienerinnen oder den Französinnen, dass es irgendwann auch wieder in die richtige Richtung geht. Alles, was wir versuchen können, ist, nach bestem Wissen und Gewissen zu arbeiten und an jedem Detail zu feilen."
Dass im Moment WM-Medaillen in weiter Ferne liegen, ist auch Kriechbaum bewusst. Aber es sind noch drei Wochen Zeit und der Abfahrtswinter beginnt jetzt eigentlich erst. Genug Zeit also, dass sich selbst eine in hartnäckiger Krise befindliche Elisabeth Görgl oder die verletzungsbedingt noch ohne Punkte da stehende Tamara Tippler ins Gespräch bringen.