Deja Vu im Gletschereis! Gut sieben Monate nach dem Herzschlagfinish in Aaare treten am kommenden Sonntag wieder der Norweger Aksel Lund Svindal und der Österreicher Benjamin Raich in der Sölden-Arena als Favoriten zum ersten Schlagabtausch um den Titel des weltbesten Skirennfahrers an. In Abwesenheit des beim Auftakt noch fehlenden US-Amerikaners Bode Miller soll Svindal auch jene Lücke schließen, die Hermann Maier mit seinem Rücktritt geschaffen hat. Zumindest ist der 26-jährige Svindal ein Läufer, der die kommenden Jahre dominieren könnte. Noch hält er bei lediglich zwölf Weltcupsiegen und ist damit "Lichtjahre" von Maier (54) oder sogar Raich (34) entfernt. "Einen Maier kann man nicht ersetzen. Aber Aksel hat in einem Alter, in dem Hermann erst in den Weltcup eingestiegen ist, schon zwei Mal den Gesamt-Weltcup gewonnen. Wenn er gesundbleibt ist einiges möglich", setzt auch Svindals Atomic-Rennchef Rudi Huber große Stücke auf den Dreifach-Weltmeister aus Norwegen.

Auch bezüglich "Begleitmusik" hat Svindal mittlerweile einiges zu bieten. Mit acht Jahren verlor er seine Mutter und wer nach einem lebensbedrohenden Sturz wie jenem im November 2007 in Beaver Creek eine ganze Saison verpasst und trotz 15 Kilo Substanzverlust gleich in der Folgesaison wieder die Weltcup-Gesamtwertung gewinnt, hat zweifellos Potenzial für ganz Großes. Auch wenn angesichts schwächelnder Konkurrenz ein Punkte-Minusrekord von 1.009 Zählern für die zweite Kugel genügte. Damit erinnert die derzeitige Situation an jene vor zwei Jahren. Denn wieder kommt Svindal als Weltmeister sowie nach einem "erzitterten" Gesamtsieg über seinen Atomic-Stallgefährten Raich zum ersten Saisonrennen. Vergangenen März hatte er sich gegen den Tiroler um nur zwei Punkte durchgesetzt, nachdem er schon 2007 mit nur 13 Zählern Vorsprung auf Raich für einen Minimal-Rekord gesorgt hatte.

Modellathlet

Und wie schon vor zwei Jahren präsentiert sich der mittlerweile 26-jährige und fast 100 Kilo schwere Modellathlet ("derzeit 98 Kilo!") aus dem Großraum Oslo schon im Oktober in toller Verfassung. Svindal selbst sieht freilich keinen neuen Seriensieger heraufdämmern. "Außer da draußen ist irgendwo ein Wunderkind, das ich übersehen habe." Vielleicht sollte er einfach nur in den Spiegel blicken. Nur logisch, dass sich längst auch andere Skifirmen um den Norweger balgen, der seine ersten Atomic-Ski zum dritten Geburtstag bekommen hat und seitdem nichts anderes gefahren ist. Svindal selbst war erstaunt, wie leicht man es ihm vergangenen Winter gemacht hat. "Normalerweise brauchst du mindestens 1.300 Punkte für die Kugel. Aber jeder von uns hatte im vergangenen Winter einen Durchhänger", so seine Erklärung. "Das hat mir geholfen, wieder zu gewinnen, obwohl ich gerade von einer Verletzung zurückgekehrt war und selbst keine perfekte Saison hatte."

Dass die Konkurrenz nochmals so auslässt, ist auszuschließen. Aber auch der perfekt Deutsch parlierende "Elch" selbst hat mächtig zugelegt und ist zudem seit Sommer noch ein bisschen mehr "Österreicher", hat er doch dank Red Bull mit einem österreichischen Sponsor auf die Kostenkürzungen bei den Skifirmen reagiert. Zudem hat er mit Innsbruck nun wieder einen Wohnsitz in den österreichischen Alpen gefunden. Körperlich ist Aksel auch trotz einer Schulteroperation im vergangenen April weit besser in Schuss als im Vorjahr. "Vor allem aber skifahrerisch bin ich stärker, weil ich viel mehr Trainingsläufe mit Vollgas absolvieren konnte", "droht" der austrainierte Kraftbrocken der Konkurrenz. "Wenn du einmal richtig gut warst, verfügst du über Qualitäten, die dich aus der Masse hervorheben", so seine Erklärung. "Gute Sportler kommen von einer Verletzung meist zurück. Vor eineinhalb Jahren hatte ich zehn Kilo weniger, war aber immer überzeugt, dass ich wieder einer der besten Skifahrer sein werde."

Neben Kristall und dem ersten Olympia-Gold als Ziel will Svindal vor allem im Riesentorlauf wieder so gut sein wie 2007 vor seinem Unfall. "Damals war es schwer, mich ohne Fehler zu schlagen." Sein Ziel für das erste Renn-Wochenende ist demnach klar: "Ich will in Sölden wieder gewinnen!" Raich sowie die Schweizer und hier vor allem Riesentorlauf-Weltmeister Carlo Janka stuft Svindal als härteste Konkurrenten ein. Mit dem eigenwilligen Miller trainierte er unmittelbar vor Sölden in Saas Fee: "Am Berg tut Bode brillante Dinge, abseits halt weniger brillante. Aber er ist ein netter Kerl!" Svindal ist längst in die Fußstapfen großer Norweger wie Lasse Kjus und Kjetil-Andre Aamodt ("Mein Vorbild!") getreten. Jetzt will der leidenschaftliche Vielredner endgültig aus dem Schatten seiner eher schweigsamen Vorgänger treten.

An Maier misst er sich aber natürlich (noch) nicht. "Gegen ihn in Hochform hätte ich im vergangenen Winter ganz bestimmt nicht gewonnen", schmunzelt Svindal und rechnet beeindruckt vor: "Hermann hat in seiner Rekordsaison über 70 Punkte pro Rennen geholt, also im Schnitt etwas weniger als einen zweiten Platz. Das hat es seit Ingemar Stenmark nicht mehr gegeben und wird es sobald auch nicht mehr geben, weil bei uns keiner mehr auch an einem schlechten Tag gewinnt."