Sie waren bekannt dafür, dass Sie ihre sportliche Karriere immer durchgeplant haben. Was das Kind auch geplant?

RENATE GÖTSCHL: Es war überraschend - und nicht geplant. Und richtig: Ich habe viel geplant - aber oft gemerkt, dass das nicht funktioniert. Irgendwie passt es aber auch so ungeplant. Weil: Was war bei mir schon normal?

Wann kommt das Kind?

GÖTSCHL: Im März.

Ist das plötzliche Ende der Karriere gut oder schlecht?

GÖTSCHL: Mir taugt's. Weil es mit so einer schönen Nachricht gekommen ist. Aber es ist sicher eine Umstellung. Schi fahren war mein Leben, von klein auf - und bumm, zack ist es weg. Obwohl: So richtig bewusst wird mir das erst in nächster Zeit werden.

Sehen Sie die Gefahr, in ein Loch zu fallen, wenn der Schisport als Orientierung fehlt?

GÖTSCHL: Ich bin ja erst eine Woche weg. Sicher werden Momente kommen, wo ich mir denke: Da hinunterglühen wäre lässig. Aber fad wird mir sicher nicht. Wenn, dann suche ich mir einfach was zu tun. Schwammerlsuchen vielleicht, dazu hatte ich nie Zeit. Oder etwas für den Kopf. Ich werde einfach in mich hineinhören.

Gibt es etwas, wo Sie sagen: Endlich hab' ich Zeit dafür?

GÖTSCHL: Vieles. Aber das alles muss ich erst ordnen. Im Moment ist es so, dass ich auch einmal einen Vormittag auf der Couch bleibe und gar nicht aus dem Haus gehe. . . Ich koche gerne, würde gerne richtig gut kochen. Oder Hackbrett spielen lernen.

Und wenn wer kommt und Sie in die Politik holen möchte?

GÖTSCHL: Das gab es schon. Aber das ist ein zu heißes Terrain. Früher hatten Politiker noch Ansehen, aber heute gibt es keinen mehr, wo jemand sagt: Der ist toll. Die Politik hat einen selten großen Image-Schaden.

Weil?

GÖTSCHL: Weil jeder dem anderen ein Hackl ins Kreuz haut. Dabei sagt jeder, dass das nicht mehr schön anzuschauen ist. Davon haben alle genug - und ohnehin ihre eigenen Probleme. Aber so ist die Gesellschaft derzeit.

Die Sorge der fehlenden Beliebtheit hätten Sie nicht...

GÖTSCHL: Das hängt wohl mit den Erfolgen zusammen. Ich habe mich nie verstellt. Schauspielerin etwa, könnte ich nicht sein. Ich habe mich so gegeben wie ich bin. Ob es jedem gefallen hat, kann ich nicht beurteilen. Ich habe versucht, relativ neutral zu bleiben. Aber ich habe mir auch nie den Mund verbieten lassen und immer gesagt, was ich denke.

Fiel es Ihnen leicht, mit dem Interesse an Ihnen umzugehen?

GÖTSCHL: Es war ein Lernprozess. AmAnfang habe ich mir gedacht: Das geht mir auf den Hammer. Aber dann identifizierst du dich damit. Die Leute sehen dich im Fernsehen, du bist bekannt. Jetzt sage ich, es war eine Antwort: Ich habe was geleistet, schön, dass man mich kennt. Blöd wäre, wenn mich keiner kennt - dann hätte ich was falsch gemacht.

Blicken wir zurück: Sind Sie mit Ihrer Karriere restlos zufrieden?

GÖTSCHL: Ja. Als Nummer drei der ewigen Bestenliste hinter einer Moser und einer Schneider lässt es sich gut leben. Und ich will auch die schönsten Momente nicht reihen - es gab so viele, von jedem kann man sich etwas mitnehmen. Und dazu bin ich ja fast eine Marke: "Speed-Queen" - eine riesige Ehre.

Und die schlimmen Momente? Verletzungen, Niederlagen?

GÖTSCHL: Aus diesen Momenten lernt man mehr. Nach Verletzungen lernst du dich als Mensch bewusster kennen, weil du an Grenzen stößt. Du brauchst Geduld und Durchsetzungsvermögen. Bei Niederlagen ist das anders. Du bekommst keinen Zuspruch, bist alleine. Aber das war mir in diesen Situationen ohnehin oft sehr Recht (lacht).

Man sagt ja, dass Sie ganz gut "spinnen" können. . .

GÖTSCHL: Ja, das gebe ich zu. Wenn ich zu einem Punkt komme, wo es nicht mehr weitergeht, sage ich: Lassen wir's. Zu Hause sperre ich mich dann einfach ein. Irgendwann geht es dann schon weiter (lacht). Man sagte oft, dass ich schwierig bin. Das glaub' ich aber nicht. Nur lasse ich nicht jeden sofort an mich heran.

Sie sind mit 17 in den Weltcup gekommen. Hatten Sie je das Gefühl, etwas versäumt zu haben?

GÖTSCHL: Sicher nicht. Ich habe meine Jugend trotzdem gelebt. Wenn ich fortgegangen bin, dann habe ich auch trainiert - auch wenn ich auf der Wiese aufgewacht bin. Weil: Entweder willst du was erreichen oder nicht. Ich wollte immer mehr, auch nach dem ersten Sieg. Ich habe mich immer noch mehr herausgefordert. Diese Härte braucht man.

Haben Sie ausgesorgt?

GÖTSCHL: Ja. Ich hatte 46 Weltcup-Siege, jeder kann sich ausrechnen, dass da was über bleibt, wenn man es gut anlegt.

Die Krise hat sie nicht getroffen?

GÖTSCHL: Es ist ein wenig nach unten gegangen, hält sich aber in Grenzen. Und: Ich finde die Krise nicht in jeder Hinsicht schlecht: Es ist allen sehr gut gegangen, es ging immer bergauf. Es musste ein Punkt kommen, wo es nach unten geht, an dem die Menschen an ihre Grenzen kommen, an dem nicht mehr die reine Profitgier im Vordergrund steht. Viele werden umdenken und andere Wege finden müssen.

Was haben Sie in 17 Jahren Spitzensport gelernt?

GÖTSCHL: Viel. Man muss schnell selbständig werden. Du musst deine Sachen selbst organisieren, bist dein eigener Manager. Du kannst nicht immer irgendwo hinlaufen und fragen. Habe ich Geduld gelernt? Weiß ich nicht, vielleicht. Und: Man wird für viele Dinge verständnisvoller.

Würden Sie Ihrem Kind raten, Sportler zu werden?

GÖTSCHL: Das muss es selbst entscheiden. Ich würde sagen: Schau' es dir an und mach' es, wenn es dir gefällt. Nur eine sportliche "Grundausbildung" sollte es schon haben.