Nach dem Aus im Slalom von Kitzbühel waren sie ziemlich fertig. Einige meinten sogar, Sie hätten einen psychischen Knacks. Davon war aber nicht viel zu sehen in Schladming.

REINFRIED HERBST: "Es stimmt, einige wollten mir einen psychischen Knacks einreden. Aber das habe ich gar nicht zugelassen. Ich hab' gleich gesagt: Im Vorjahr war es auch so - und dann bin ich Schladming zwei Mal Bestzeit gefahren. Stimmt schon, die Niederlage war groß. Aber ich kann das abhaken, weil ich weiß, dass es in Schladming gut läuft.

Gibt es da ein besonderes Rezept?

HERBST: Mein Rezept war: Weg von der Mannschaft, heim zur Familie. Da habe ich mit dem Kleinen (Felix, Anm.) Lego gespielt. Da wirst du abgelenkt. Wenn du bei der Mannschaft bist, bleibst du im Zirkus. Im Hotel gibt es nichts, was dich ablenken kann.

Auch letztes Jahr sind sie nach Kitzbühel nach Hause "geflüchtet". . .

HERBST: Und es hat auch damals geholfen. Die Familie war auch vor dem Rennen da, nach dem Mittagessen mit meiner Freundin Manuela hab' ich mit Felix gespielt, bis er gesagt hat: Papa Heia, Abend Schifahren. Das ist so was Schönes, da kann ich entspannen. Vor allem, weil er mich dann wirklich schlafen hat lassen.

War der zweite Lauf in Schladming ein perfekter Lauf?

HERBST: Auf jeden Fall. Im ersten Lauf hatte ich noch gemischte Gefühle, hab' mich ins Rennen gesucht und dann den Rhythmus gefunden. Aber vor dem zweiten Lauf, da war wieder dieses Kribbeln. Das Gefühl: Ich will gewinnen, nicht Zweiter oder Dritter werden.

Ist das nicht immer so?

HERBST: Es ist oft der Fall, dass ich im zweiten Lauf rausgenommen habe. Aber genau dann sind blöde Sachen passiert. Der Grat im Slalom ist extrem schmal. Du kannst fünf Mal gewinnen und hast beim sechsten Start keine Garantie, dass es gut geht. Ein Tor falsch fahren reicht aus und du bist weg. Das macht den Schisport aus - es geht auf und ab. So wie im Moment meine Gefühlswelt. Die ist so extrem, das kann man gar nicht mehr messen.

Messen kann man aber die Zeit - und kein Slalom war so schwer wie der in Schladming. Sind sie jetzt der beste Slalomläufer der Welt?

HERBST: Ich hatte bei jedem Rennen heuer zumindest einen Durchgang, in dem ich entweder die schnellste oder die zweitschnellste Zeit gefahren bin. Das bestätigt meine schifahrerische Leistung. Aber ich würde nicht sagen, dass ich der Beste bin. Einer der Besten, sagen wir so.

Was fehlt noch?

HERBST: Ich muss mich nur zügeln und nicht zu perfekt sein wollen. Ich bin sehr konsequent, ich bin sehr kritisch zu mir. Und dann will ich alles immer ganz perfekt machen. Da bin ich mir auch schon selbst im Weg gestanden. Was mir wichtig ist und am Herzen liegt: Ich würde gerne den

Slalom-Weltcup gewinnen. Aber das wird ein harter Kampf. Zumindest habe ich jetzt wieder die Führung im Slalom-Weltcup erobert.

Zwei Siege in Schladming in Serie - das gelang Alberto Tomba. Würden Sie sich mit ihm vergleichen?

HERBST: Nein. Ich war ja 1991 in Saalbach selbst Fan von ihm. Und ich gebe wenig auf Statistiken. Was mich freut: Ich hab das erste Mal drei Siege in einer Saison gefeiert.

Zumindest ein vierter Sieg wäre schön. Der am 27. Februar 2010. . .

HERBST: Was ist da? (lacht)

Der Olympia-Slalom?

HERBST: Der ist noch so weit weg und beschäftigt mich noch gar nicht. Jetzt kommt am Sonntag das Rennen in Kranjska Gora, dann fahre ich mit zwei Freunden nach Los Angeles, wo ich vier Tage mit dem Motorrad durch die Gegend fahre, zur Entspannung. Denn mit Olympia und der Geburt meines zweiten Kindes wird es dann eh stressig genug. Dann geht's erst nach Sun Peaks zum Training. Erst da will ich mich mit Olympia beschäftigen.

Aber eine Medaille wollen Sie schon, oder?

HERBST: Ja, ich will eine. Aber ich muss keine machen, weil ich schon eine habe. Ich babe bei der WM im Vorjahr gesehen: Das ganze Gerede von Favoriten hilft nicht. Es muss an diesem einen Tag einfach alles passen.