Vor wenigen Tagen war die WM noch weit entfernt für Sie gewesen, jetzt haben Sie Super-G-Silber gewonnen. Wie erklären Sie sich diese Steigerung von 0 auf 100?

Reichelt: "Sagen wir von 50 auf 100. Die Ereignisse haben sich in den vergangenen fünf Tagen wirklich überschlagen. Nur dank Hinterstoder bin ich jetzt überhaupt hier bei der WM. Und mit Silber habe ich bestätigt, dass ich zurück in der Weltspitze bin. Das macht mich überglücklich. Ich freue mich auch, dass mein engster Familienkreis und meine Freundin (Larissa, Anm.) bei so einem Augenblick live dabei sind. Aber ich weiß auch, wie schnell es in die andere Richtung gehen kann."

Sie sprechen die Verletzungen Ihrer Kollegen Hans Grugger, Mario Scheiber und Georg Streitberger an?

Reichelt: "Bei mir ist es in die positive Richtung sehr schnell gegangen, bei meinen Kollegen in die negative. So etwas hält einen auf dem Boden. Ich freue mich, dass es dem Hans wieder bessergeht, dass er wieder spricht und geht. Das ist wichtiger als alles andere."

Sie haben auch die Super-G-Kristallkugel 2008 im letzten Moment Didier Cuche entrissen, sind Sie ein Last-Minute-Spezialist?

Reichelt: "Also den Urlaub buche ich normal nicht Last-Minute. Aber im Sport habe ich anscheinend ein Händchen dafür. Im Nachhinein fragt keiner, ob du es im letzten Moment geschafft hast. Wichtig ist, dass ich die WM-Medaille habe. Die hat mir noch gefehlt, das ist ein großer Meilenstein in meiner Karriere."

Wie schwierig war das Rennen wirklich?

Reichelt: "Das war eines meiner schwierigsten Rennen überhaupt. Am besten passt dazu das Lied 'Hells Bells', das da runter war die Hölle. Es wäre mal interessant, da einen Touristen runterzuschicken. Aber nur einen lebensmüden. Mein Gefühl während der Fahrt war ehrlich gesagt nicht gut, es war sehr unruhig und eisig. Ich war nur noch froh, dass ich im Ziel war. Am liebsten hätte ich mich niedergelegt und wäre schlafen gegangen."

Welche Emotionen haben Sie bei der Siegerehrung erlebt?

Reichelt: "Es war wunderbar. Ich habe mich an meinen Kindheitstraum erinnert. 1991 habe ich bei der WM in Saalbach die Goldfahrt von Rudi Nierlich gesehen. Damals habe ich mir gedacht: 'Das wäre wunderschön'. Heute bin ich selbst auf dem Podium gestanden und die WM-Kinder haben mich so angeschaut wie ich damals den Nierlich."

Fordern Sie jetzt aufgrund Ihrer Hochform einen Platz im Abfahrtsteam?

Reichelt: "Überhaupt nicht. Es war im Vorhinein mit den Trainern besprochen, dass nicht aufgrund eventueller vorher gewonnener Medaillen entschieden wird. Und das ist super so. Es soll der den Startplatz bekommen, der mit der Strecke in der Qualifikation, oder besser in den Sichtungsfahrten, am besten zurecht kommt."

Bereits morgen Donnerstag steht das erste Abfahrtstraining auf dem Programm, wird das Ihre Medaillenfeier bremsen?

Reichelt: "Schade, dass kein freier Tag dazwischen ist. Beim Training muss ich topfit sein. Aber ich werde schon mit dem Hans Knauß seinen 40er und meine Medaille feiern, nur etwas ruhiger."