Herr Berthold, vor Weihnachten ist es Zeit für ein kurzes Resümee. Alles scheint gut zu laufen, alle scheinen glücklich und zufrieden. Sind Sie es auch?

MATHIAS BERTHOLD: Jein würde ich sagen. Mit den Spitzenplätzen natürlich schon, das hat man so gar nicht erwartet. Mannschaftlich - und ich kritisiere jetzt nicht - sehe ich, dass wir noch zulegen könnten, in allen Disziplinen.

Sie selbst sagten nach den Erfolgen, Sie haben gar nichts gemacht.

BERTHOLD: Hab' ich ja nicht (seufzt...) Klar, als Cheftrainer bist du immer der Repräsentant, hast die Verantwortung. Wenn es nicht geht, übernehme ich die auch gerne. Wenn es gut geht auch irgendwie, klar. Aber man muss immer sagen, dass es Teamarbeit war, darf niemand herausheben. Außer den Athleten.

Als Cheftrainer muss man diese Athleten aber auch kritisieren. Fällt Ihnen diese Kritik leicht?

BERTHOLD: Leicht ist es, wenn du die richtige Gesprächsbasis hast. Lustig ist es nie. Aber Kritik ist nichts persönliches. Und eigentlich kritisiere ich nicht, sondern ich versuche, weiterzuhelfen.

Für Erfolg muss man Egoist sein, sagt man. Sind Sie einer?

BERTHOLD: Ich war ein ganz, ganz schrecklicher Egoist. Früher. Im negativen Sinn.

Das äußerte sich wie?

BERTHOLD: Ich war ein Spinner. Also: Ich hätte als Trainer nur Probleme mit mir selber oder mit so einem Typ, ich einer war.

Weil?

BERTHOLD: Eben weil ich Egoist war und jetzt als Trainer andere Dinge erwarte: Professionelle Einstellung, die ich selbst bis zu einem gewissen Punkt nicht hatte, Teamfähigkeit. Egoismus ja, aber nur, so lange es es anderen Leuten im Gefüge nicht schadet.

Sie wurden gefragt, ob Sie es sich mit dem Wechsel von den deutschen Damen zu den österreichischen Herren verbessert haben.

BERTHOLD: Und sagte: Blöde Frage.

Aber legitim. Also: Haben Sie es sich verbessert?

BERTHOLD: Das kommt darauf an, wie man das sieht. Was die Lebensqualität angeht, sicher nicht.

Warum denn das?

BERTHOLD: Weil ich Tag und Nacht am Arbeiten bin. Meine Freunde sagen schon: Kollege, jetzt musst du ein wenig kürzer treten, sonst dreht es dich zusammen. Aber ich ziehe auch viel Energie aus dem Ganzen. Und ich weiß, ich habe Verantwortung, die Jungs vertrauen mir Und dann tust du alles, damit es gut läuft, damit wir Erfolge haben und diese sichern.

Ist dann der Erfolg der Teil, wo Sie es sich verbessert haben?

BERTHOLD: Ach ja, wir sind noch immer beim verbessern und verschlechtern. Was mir taugt, und das passiert oft: Ich bin beim Tanken und Leute kommen her, fragen, ob ich es bin - und haben eine volle Gaudi, wünschen mir alles Gute. Das motiviert. Du bist nicht eine Nummer wie in Deutschland, hier hier ist Schisport den Leuten wichtig.

Und daraus ziehen Sie Energie?

BERTHOLD: Ich ziehe Energie aus der Mannschaft. Weil ich merke, dass sie gut trainiert, dass sie gut drauf ist, dass ich einen guten Kontakt zu ihr habe.

Sind Sie ein bisschen wie ein Vater für alle?

BERTHOLD: Es ist eher ein professionelles Mitfühlen. Allerdings macht man sich selber das Leben schwer. Es passiert mir, dass ich nicht gut schlafen kann, weil ich grüble, wie alle besser werden.

Einen Läufer gibt es, dessen Vater Sie wirklich sind. Ihr Sohn Frederic fährt im Europacup. Gibt es eine Trainer/Läufer-Beziehung?

BERTHOLD: Ja. Freddie schätzt mich als Trainer. Ich hatte ja nicht oft Zeit, mit ihm zu trainieren. Aber er sagt: Papa, wenn du mit mir gehst, sagst du mir ein Ding und ich fahre gut. Aber natürlich ist es auch schwer, weil man oft für einen anderen Läufer mehr Verständnis aufbringt als für deinen Buben. Da ist man oft kritischer und nicht so gerecht.

Es könnte sich ausgehen, dass Sie Ihren Sohn als Cheftrainer in der eigenen Mannschaft haben.

BERTHOLD: Wenn ich mir meine Vertragsdauer anschaue, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder muss ich ihn rauswerfen, oder in die Nationalmannschaft holen. Aber er wird keine Vorteile haben, das weiß er auch.

Bei all dem Stress: Haben Sie eigentlich Zeit für Freunde?

BERTHOLD: Ich bin so lang Rennen gefahren, dass ich gelernt habe, wie mit Freunden umzugehen ist. Ich habe auch schmerzhafte Erfahrungen gemacht. So, dass es irgendwann hat gar keine Freunde mehr gab. Ich habe dann aber begonnen, zwei, drei Freundschaften wieder zu pflegen. Die haben mir in meiner schwersten Zeit geholfen, als sich etwa meine Frau von mir getrennt hat. Und sie haben auch jetzt Verständnis, dass ich wenig Zeit habe.

Haben Sie ein Lebensmotto?

BERTHOLD: Nein. Wichtig für mich ist, in der Gegenwart zu leben und gut für die Zukunft zu planen. Um Dinge, wenn sie Gegenwart werden, leichter realisieren zu können.

Was planen Sie denn für die Zukunft?

BERTHOLD: Ich will nicht bis 60 in diesem Geschäft bleiben. Wobei: Ich habe einst zu meiner Ex-Frau gesagt: Drei Jahre werd' ich sicher Trainer sein, fünf sind das Maximum. Jetzt mache ich es schon 13 Jahre. Also muss man abwarten.