Carlo Janka zeigt selten Emotionen, schon gar nicht überschwänglich. Und das, obwohl er mit 24 Jahren als regierender Gesamtweltcup-Sieger, Weltmeister und Olympia-Sieger alles erreicht hat. Sein Spitzname ob seiner sparsamen Emotionen: "Iceman". Im Interview erzählt der Schweizer von seinem Sommer, seinem geheimnisvollen Virus - und warum seine Karriere ohnehin schon gerettet ist.

Nach dem Weltmeistertitel 2007 folgten 2008 Olympia-Gold und Gesamtweltcup - hatten Sie einen ruhigen Sommer? Oder waren viele Termine zu absolvieren?

CARLO JANKA: Es hat noch einmal zugenommen, ein bisschen mehr Arbeit hat's schon gegeben. Ich denke aber, das gehört dazu und ist wichtig für den Sport. Sicher: Der Erkennungsgrad auf der Straße ist gestiegen und die Autogramme sind vielleicht ein bisschen wertvoller geworden.

Sind diese Verpflichtungen für Carlo Janka Arbeit? Oder machen Sie das gerne?

JANKA: Kommt darauf an, welche. Es gibt sicher Dinge, die man machen darf und kann, die man vorher nicht machen hätte können.

Zum Beispiel?

JANKA: Ich bin großer Fan von Manchester United. Im Sommer war ich dort eingeladen und man hat mir wirklich alle Türen geöffnet, sogar Wayne Rooney kam am Abend ins Restaurant. Das sind dann schon Dinge, die einem in Erinnerung bleiben.

Woran man Sie auch nicht erinnern muss, ist ihr Virus, der Sie auch heuer empfindlich in der Vorbereitung gestört hat, oder?

JANKA: Das ist ein Problem, ja. Wir wussten letztes Jahr nicht, was es war, woher es kam und wie lang es dauert - und das ist dieses Jahr dasselbe. Ich hab' nur wenig konditionelles Aufbautraining machen können. Jetzt muss ich eben schauen, dass es so gut wie möglich geht. Es ist sicher nicht das angenehmste aller Gefühle.

Wie fit sind Sie wirklich?

JANKA: Ich habe den ganzen Sommer bis zum Schi-Training nicht gut trainieren können. Und dann, wenn das Schi-Training beginnt, ist es vorbei mit dem konditionellen Aufbau. Aufholen kann ich also sicher nichts mehr. Ich muss mit dem in die Saison gehen, was im Moment übrig ist.

Wie muss man sich die Beeinträchtigung vorstellen? Regenerieren sie einfach schlechter?

JANKA: Ja genau. Ich habe im Frühling angefangen zu trainieren, ganz normal. Dann kommt plötzlich die Erholung zu kurz oder funktioniert gar nicht. Von Tag zu Tag geht es schlechter, der Puls ist viel zu hoch für die Anstrengung - und irgendwann geht es gar nicht mehr. Man merkt dann an alltäglichen Sachen wie Treppensteigen, dass man sehr schnell müde wird.

Wie fit sind Sie denn? Wenn man sagt, bei vollem Training wären es 100 Prozent?

JANKA: Ich weiß ja schon gar nicht mehr, wie es ist, fit zu sein. Das war ich das letzte Mal vor zwei Jahren. Vom Training her habe ich vielleicht 30, maximal 40 Prozent von dem machen können, was ich machen wollte. Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass ich die Saison durchstehen kann - genauso wie im Vorjahr.

Man hat doch aber sicher Analysen gemacht, alles untersucht?

JANKA: Aber nichts Konkretes gefunden. Die Leberwerte sind erhöht, die Milz ist groß. Aber man kann nicht einmal sagen, ob das bei mir normal ist oder ob sie bei mir aus irgendwelchen anderen Gründen größer ist.

Beunruhigt Sie das nicht?

JANKA: Das Gefühl, dass man nicht weiß, was es ist, ob es wieder kommt, was man dagegen tun kann, ist nicht angenehm.

Trotzdem wirken Sie so ruhig wie nach großen Siegen. Ist Ihre ruhige Art auch da ein Vorteil?

JANKA: Ich denke, dass andere, die nicht meine Lockerheit haben, mehr Probleme hätten, mit der Situation umzugehen. Ich sehe das eher gelassen. Ich kann ja eh' nichts ändern, da nützt es auch nichts, Energie mit Hadern oder Jammern zu verschwenden.

Ihr Umgang mit dem Virus, Ihre sparsame Art zu feiern, die viel diskutiert wurde: Sind Sie nach außen gerne so kühl? Sind Sie gerne der "Iceman"?

JANKA: Ja, weil es zutrifft. Es ist ja nicht erfunden, ich spiele das auch nicht. Insofern passt der Name zu mir und stört mich nicht - ich kann damit leben.

Hat sich mit Ihren Erfolgen die Erwartungshaltung geändert?

JANKA: Ich habe eine geringe Erwartungshaltung. Aus zwei Gründen: Ich habe mit WM, Olympia und Weltcup eigentlich alles gewonnen, was es gibt. Die Karriere ist sozusagen gerettet (lacht). Und: Ich bin ja auch noch relativ jung. Daher: Alles, was kommt, ist Zugabe. Ich probiere einfach, auf demselben Level wie im Vorjahr Schi zu fahren. Wenn das gelingt, bin ich schon zufrieden.

Druck existiert nicht?

JANKA: Druck ist alltäglich, wenn man Sport macht und im Rampenlicht steht. Insofern ist Druck eine Alltagserscheinung und ich habe gelernt, damit umzugehen. Sicher, am Anfang war es schwierig, aber jetzt habe ich damit keine Probleme mehr.

Sie sprechen mit großem Selbstvertrauen, mit viel Selbstverständnis. Ist das antrainiert?

JANKA: Nein, das ist zu großen Teilen angeboren. Das ist ja schwer zu trainieren, das müsste man ja mit Mentaltrainern machen. Was einige tun, aber ich habe in diese Richtung noch nie gearbeitet. Ich habe sicher viel in die Wiege gelegt bekommen.

Sie sind also auch im zweiten Lauf, wenn es um Olympia-Gold geht und Sie als Letzter oben stehen, nicht nervös?

JANKA: Nein, vor allem in der Entscheidung nicht. Wenn ich als Letzter oben stehe, hat ja der erste Lauf schon einmal sicher relativ gut funktioniert. Aber bei Olympia ist die Anspannung schon größer.