"Das ist abartig", sagte Marcel Hirscher nach Gewinn des Gesamtweltcups - und meinte damit die Taktiererei auf der Piste in den vergangenen Wochen. Das ständige Rechnen, wer wie viele Punkte braucht, um am Ende einer langen Weltcup-Saision eine Kristall-Kugel hochhalten zu dürfen. Zwei waren es am Ende. Eine große und eine kleine. Wobei die am Sonntag gewonnene kleine Slalom-Kugel einige Kratzer abbekommen hat. Unnötigerweise.

Schuld an den Kratzern war die Kurssetzung im ersten Lauf. Ausgerechnet gesteckt von Hirscher-Trainer Michael Pircher. Ausgerechnet auf Hirschers Stärken ausgerichtet - mit dem Wissen, dass dessen Startnummer eins bei der schlechten Piste ein Vorteil sein wird. Ausgerechnet beim entscheidenden Weltcup-Slalom. Ausgerechnet beim finalen Duell Hirscher vs. Neureuther.

Die FIS ist gefordert

Ein Aufschrei im Ski-Fahrerlager - Österreich ausgenommen - war die Folge. "Eine Katastrophe und ein Wahnsinn", schäumte Felix Neureuther über die angebliche Benachteiligung im ersten Lauf. Hirscher verteidigte sich, verwieß auf das offizielle Reglement und so manch andere Kurssetzungs-Tricks der Konkurrenz in der Vergangenheit: "Egal welche Disziplin, jeder Athlet hat natürliche Präferenzen, wo er schneller und besser fahren kann."

"Tu felix Austria", könnte man jetzt sagen. Oder besser: "Oh, du unglückliche FIS!" Denn FIS-Chef-Renndirektor Günter Hujara gab offen zu: "So machen wir uns lächerlich." Gewissermaßen ein Appell an sich selbst. Denn die FIS hat es in der Hand, die Regeln neu abzustecken. Und sollte das auch bald tun. Denn das jetzige System, bei dem bereits vor Saisonstart ausgelost wird, welche Nation bei welchem Durchgang den Kurssetzer stellt, hat die Freude am finalen Ski-Fest in Lenzerheide getrübt. Auch zum Leidwesen Hirschers, der sich an diesem Tag die Diskussionen gewiss ebenso gerne erspart hätte.

Debatte hin oder her - Hirscher hat im finalen Durchgang die richtige Antwort gegeben. Sportlich. Und er hat außerdem gezeigt: Am Ende liegt jener Läufer ganz vorne, der richtig taktiert. Auf der Piste. Auf zwei Skiern. Ohne Hilfe des Trainers. Hirscher hat im zweiten Lauf - übrigens von einem neutralen Coach gesteckt - voll riskiert. Und gewonnen. Und das sollte bei wichtigen Entscheidungen auch in Zukunft so sein. Egal, wie "abartig" das taktische Fahren für jeden Athleten ist oder nicht.