Es passt ja irgendwie dazu. Der Nussknacker ist eines der weltbekanntesten Ballette der Musikgeschichte, geschrieben von Peter Iljitsch Tschaikowski. Und Marcel Hirscher tüftelt seit Längerem an einer harten Nuss, die es beim Tanz durch die Torstangen zu knacken gilt. Und er bekennt vor seinem Start in die Olympischen Spiele: "Ganz geknackt ist die Nuss Ted Ligety noch nicht!"

Und dann stellt Hirscher, immerhin zweifacher Saisonsieger im Riesentorlauf, die Dimensionen klar: "Ich habe schon mitbekommen, dass sich hier die Favoriten nicht oft durchgesetzt haben. Aber bei Ted ist das etwas anderes: Er ist FavoritFavoritFavoritFavorit hoch zehn!"

Und Hirscher kann das auch erklären. "Wenn es flach wird und der Kurs drehend ist, dann macht er den Schwung zu wie kein anderer." Was das heißt? "In jedem Rennen entstehen Spuren - und das macht den Radius noch enger. Alle anderen im Feld haben jetzt das Problem, dass sie irgendwann zu spitz werden, zu direkt. Und dann krachen wir ins nächste Loch, verlieren den Zug am Ski." Und Ligety? "Der zieht durch - und das sind dann genau die zwei, drei Tore, in denen er bis zu acht Zehntel gut macht. Dann haben wir uns alle auch wieder erfangen und sind gleich schnell. Bis zum nächsten Problem." Die Folge: "Er fährt gar nicht hundert Prozent. Das sieht man. Aber es reicht."

Unversucht hat der 24-Jährige aber trotzdem nichts lassen. Fast generalstabsmäßig liefen die letzten zwei Wochen zu Hause ab, auf der Reiteralm wurde trainiert. "Am Vormittag oben auf Eis, am Nachmittag im Tal auf gesalzenen Pisten." Sein Fazit: "Ich wüsste nicht, was ich noch mehr hätte tun sollen."

Respekt vor dem Gegner

Auch vor der Abreise versuchte sich der Annaberger auf die Gegebenheiten einzustellen. "Ich bin auch an meinen freien Tagen um sechs Uhr aufgestanden, damit die Zeitverschiebung nicht so schlimm ist. Und es hat geholfen, weil ich hier an den ersten Trainingstagen nicht neben den Ski gestanden bin. Und wenn man hier um sechs aufsteht, dann fühlt es sich ja fast an wie drei Uhr." Zu Hause freute sich Hirscher auch mit Anna Fenninger, mit der er am Tag vor ihrer Silbernen im olympischen Dorf zu Mittag aß, über die gewonnenen Medaillen, nehmen sie doch den Druck von seinen Schultern, den er in Schladming noch aushalten musste. "Obwohl: Ich freue mich riesig über unsere Medaillen, es ist ein Wahnsinn. Aber ich bin deswegen kein Hundertstel schneller."

Hirscher stellt sich ein auf den Kampf gegen Ted Ligety und Alexis Pinturault, die er beide schätzt: "Wir waren noch nie auf ein Bier. Aber der gegenseitige Respekt ist spürbar. Mich freut's, wenn Ted sagt, dass er mir zuschaut und es geil findet. Und Alexis ist ein super Techniker. Mir taugt das, wie er dem Skisport und uns allen mit seinen Aktionen einen Denkanstoß gibt, uns alle auf einen neuen Level hebt."

Die Jagd auf Olympia-Gold ist eröffnet. Hirscher: "Zu einer perfekten Karriere gehört das dazu, keine Frage."