Herr Reichelt, ab sofort dürfen Sie sich Kitzbühel-Sieger nennen. Ein gutes Gefühl?

Hannes Reichelt: Es ist wunderbar, ich bin jetzt einer von ihnen, einer von den Legenden. Es ist toll, wenn einem die anderen Legenden gratulieren, wie Stephan Eberharter. Er war mein Idol. Dabei haben Sie die Ski-Nation am Tag vor dem Rennen mit der Meldung, dass Ihr Start in Gefahr ist, ein wenig geschockt ...

Reichelt: Aber es war die reine Wahrheit! Aber wahr ist auch: Wenn man am Start steht, ist man fit. Es war eine schwere Entscheidung, ich war mir lange nicht sicher, in welche Richtung es geht. Aber jetzt bin ich froh, dass ich mich so entschieden habe. Auch wenn es so nicht besser wird.

Wann fiel die Entscheidung?

Reichelt: Ich bin 15 Minuten vor dem Start noch einmal frei Ski fahren gewesen. Und da habe ich gemerkt, wenn ich sauber draufstehe, dann geht es. Weil dann ist Skifahren kein Körperkiller. Nur – das saubere Skifahren ist hier auf der Streif nicht so einfach.

Was war das Problem?

Reichelt: Es war heute schon besser als gestern. Aber es ist ein Drahtseilakt, ob man fährt oder nicht. Man will erst einfahren, besichtigen und dann eine Entscheidung treffen. Und hinter dieser Entscheidung musst du stehen – weil wenn du da hinunter auch nur ein bisserl einen Rückzieher machst, dann gehörst du der Katz.

War die Beschäftigung mit dem Rücken nicht auch Ablenkung?

Reichelt: Definitiv – aber ehrlich: Ich hätte es mir trotzdem anders gewünscht. Weil?

Reichelt: Weil das mit dem Rücken keine Show war. Ich hoffe, meine Konkurrenten wissen das. Ich habe es immer gehasst, wenn ein anderer gejammert hat und dann trotzdem angeblasen ist wie nur was. Man hört, Sie nehmen keine Schmerzmittel?

Reichelt: Heute habe ich etwas nehmen müssen. Das wäre ja ein Wahnsinn: Am Freitag lasse ich die Startnummernauslosung aus und dann kann ich ohne Schmerzmittel fahren. Da könnten dann die anderen ja wirklich sagen: Der markiert nur. Das mag ich nicht. Ich bin ein Sportler, der sehr für Fairness ist. Wie sitzen Sie denn jetzt?

Reichelt: Wir sollten über mein Skifahren reden, nicht, wie ich sitze. Wenn ich am Start stehe, dann bin ich fit. Mehr brauche ich dazu nicht zu sagen. Gut – wie war das Skifahren?

Reichelt: Genial! Bode und Aksel haben super Leistungen gebracht – dann vor ihnen zu sein, das ist cooles Skifahren. Ich bin glücklich, dass ich den inneren Schweinehund besiegt habe. Was meinen Sie damit?

Reichelt: Bist Du schon einmal hier gestartet? Nein? Dann kennst Du das Gefühl nicht. Hier musst du den inneren Schweinehund erlegen und überwinden – damit du gscheit rausstartest und in die Hocke gehst. Und das hab ich geschafft.

Und dann sind Sie im Ziel Erster.

Reichelt: Das ist einfach nur traumhaft. Bei der Flower Ceremony hatte ich eine Träne in den Augen. Obwohl ...

Obwohl?

Reichelt: Ich hätte mir gewünscht, dass die Tribüne voller ist. Aber das liegt wohl daran, dass es hier so ein gutes VIP-Zelt gibt. Aber wenn du da oben stehst, dann stört es, wenn du die leere Tribüne siehst. Mein Wunsch für die Zukunft wäre, dass das künftig nicht mehr so ist.

Ist der Sieg eigentlich weniger wert, weil es nicht über die Hausbergkante und die Traverse ging?

Reichelt: Die Gondel für den Sieg bleibt die gleiche. Und gleich bleibt auch, dass man sich keine Fehler leisten darf. Es ist immer schwierig, zu gewinnen.