Ivica, Sie sind der Meister der Super-Kombinationen. Es gibt zwar keine Weltcupkugel mehr, aber WM-Medaillen. Haben diese aber dieselbe Wertigkeit wie zum Beispiel Abfahrtsmedaillen?

IVICA KOSTELIC: Leider ist die Super-Kombi aufgrund der Entwicklung nicht mehr so attraktiv. Das hat aber nichts mit der sportlichen Wertigkeit zu tun. Von der sportlichen Anforderung her ist es sicher die schwerste Disziplin.

Aber kaum jemand betreibt sie ernsthaft?

KOSTELIC: Weil sie schwer ist und weil es immer weniger Rennen gibt. Natürlich ist es nicht mehr attraktiv, wenn du keine Punkte gewinnen kannst. Die Differenz zwischen dem eingegangenen Risiko und Zeitaufwand und den Punkten, die man gewinnen kann, ist groß. Nur deshalb ist die Konkurrenz geringer - und nicht weil die Kombination weniger wert wäre.

Gibt es ein Gegenmittel?

KOSTELIC: Ein einfaches sogar. Machen Sie zehn Super-Kombinationen, dann müssen alle mitfahren, die den Gesamtweltcup gewinnen wollen.

In Kitzbühel wird die traditionelle Kombination für eine Super-Kombination geopfert.

KOSTELIC: Kitzbühel, das ist wie Wimbledon im Tennis. Das hat Tradition. Die Tradition ist, dass der wahre Hahnenkamm-Sieger der Sieger der Kombination ist. Skifahren sollte stolz auf seine Tradition sein, denn daher kommt seine Wertigkeit, seine Bedeutung im Olympischen Programm. Diese Tradition zu löschen ist für mich unglaublich. Das ist ja fast so, als würde England die Monarchie abschaffen.

Warum ist Tradition wichtig?

KOSTELIC: Sehen Sie sich doch die Super-Kombination an: Vor sieben Jahren kam sie als neue Disziplin mit Weltcup-Kugel. Am Montag gibt es nichts mehr - keine Tradition. Deswegen spricht mein Skifahrer-Herz sich für die klassische Kitz-Kombination aus. Ich lebe Ski-Tradition. Ich weiß, wie viel Wert diese Kombination hat. Es wäre ein Fehler, sie zu löschen.

Jetzt sind wir in Schladming - wie sehen Sie das: Ist eine WM in Österreich gut für den Sport?

KOSTELIC: Das kann nur gut sein. Weil Skifahren als großer Sport gezeigt und inszeniert wird.

Und Sie finden das ganze Tam-Tam nicht übertrieben?

KOSTELIC: Nein, nein. Skifahren ist doch hier Nationalsport. Ich kann es verstehen.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Österreich eigentlich?

KOSTELIC: Wir trainieren oft in Österreich und mit Österreichern, auch meine Ski-Firma ist österreichisch. Ich verbringe hier ja mehr Zeit als in Kroatien, wir haben viele gute Freunde. Im Skifahren kannst du Österreich nicht umgehen.

Aber es gibt mitunter auch Kritik an den Österreichern von Ihrer Seite?

KOSTELIC: Die Österreicher achten sehr auf ihre eigenen Interessen, das ist normal. Sie sehen Skifahren als Nationalsport und messen dem Sport viel Bedeutung bei, mehr als alle anderen.

Auch wenn da im Vorjahr in Schladming die Einfädelaffäre und der Streit mit Marcel Hirscher samt Versöhnung war?

KOSTELIC: Wir haben ein sehr offenes, gutes Gespräch geführt. Ich glaube, es war nötig, dass wir ein bisschen Lärm gemacht haben wegen der Einfädler. Das war nicht gut, das musste öffentlich diskutiert werden. Das hat auch Marcel verstanden. Meiner Meinung nach ist er dadurch ein besserer Athlet geworden.

Ein Jahr später vergleichen Journalisten Marcel Hirscher schon mit Ingemar Stenmark. Sie beschäftigen sich viel mit Ski-Historie. Ein gültiger Vergleich?

KOSTELIC: Marcel hat eine schwierigere Aufgabe als Stenmark, die Konkurrenz, die Dichte ist heute eine ganz andere. Ich will nicht sagen, dass Ingemar Stenmark gar keine Konkurrenz hatte, aber heute kann jeder der ersten 30 Rennläufer an einem guten Tag gewinnen. Das macht es viel härter, zu siegen.

Dass Hirscher mit nur zwei Disziplinen den Weltcup gewinnt, überrascht sie das?

KOSTELIC: Das hat zwei Seiten. Er ist ein außergewöhnlicher Skifahrer, weil er das schafft. Speziell mit RTL und Slalom. Für mich ist der der beste Skifahrer, der in allen Disziplinen fahren kann. Das war schon immer meine Philosophie.

Wer ist denn aktuell der beste Skifahrer?

KOSTELIC: Mit weniger Bedeutung der Super-Kombi stirbt leider der Allrounder. Benjamin Raich war so ein Exemplar - überall gut. Das ist mein Ideal.

Im Gesamtweltcup ist Hirscher auf Kurs zur Titelverteidigung, Sie haben den Weltcup abgeschrieben. Was sind die neuen Ziele?

KOSTELIC: Ich habe meine Knieschmerzen seit Zagreb besser unter Kontrolle. Und natürlich ist die WM wichtiger geworden. Ich hoffe, dass mein Zustand gut genug ist und ich um Medaillen kämpfen kann.

Schladming ein ganz spezieller Ort für sie - es gab von Verletzungen bis zu Siegen alles.

KOSTELIC: Ja, man kann sagen, dass ich hier viele Auf und Abs erlebt habe. Im März beim Weltcup-Finale war es wieder nicht so gut, vielleicht kommt das ja jetzt bei der WM zurück.