Lassen Sie kurz das abgelaufene Jahr Revue passieren. Was ist alles passiert, was Sie sich vor einem Jahr nicht vorgestellt hätten?

MARCEL HIRSCHER: Grundsätzlich schon Einiges. Was mich betrifft: Abgesehen davon, dass ich sportlich weit mehr erreicht habe, als ich mir erhofft habe und abgesehen von einem Autounfall gar nicht so viel.

Jetzt sind sie Weltcup-Gesamtsieger und nun auch Sportler des Jahres. Nur eine weitere Ehrung? Weil Sie ohnehin damit rechneten?

HIRSCHER: Überhaupt nicht! Es ist doch schon eine Ehre, mit einem Thomas Vanek oder David Alaba in die engere Auswahl zu kommen. Und hätte David im Champions-League-Finale spielen dürfen und vielleicht noch ein Tor geschossen, dann hätte es ohnehin keine Frage gegeben. Jetzt von sich sagen zu können, Österreichs bester Sportler zu sein, das ist etwas Außergewöhnliches.

Etwas Außergewöhnliches, das Vorbildwirkung bedeutet?

HIRSCHER: Ja, das schon. Aber mir ist es wichtig, meinen Weg zu gehen! Wenn der dazu geeignet ist, anderen ein Vorbild zu sein, dann bin ich gerne Vorbild.

Dabei sagt man, dass es Ihnen unheimlich wichtig ist, wie Sie in der Umwelt ankommen?

HIRSCHER: Das stimmt nur bedingt. Manchmal wird nur ein völlig falsches Bild transportiert. Wenn nur ein Detail aus dem Zusammenhang gerissen oder gar zweideutig wiedergegeben und eine Geschichte darauf aufgehängt wird, dann stört mich das schon.

An die Öffentlichkeit und den Scheinwerfer, in dem Sie sich nunmehr pausenlos befinden, haben Sie sich also gewöhnt?

HIRSCHER: Es hat schon länger die Tendenz gegeben, dass es mehr wird. Ich musste - oder durfte - lernen, wie man damit umgeht. Nach diesem Sommer kann ich sagen, dass es, zumindest medienmäßig, nicht viel gibt, was mich noch herausfordern kann.

Nicht einmal ein Besuch des Rupertikirtages, wo Ihnen das "öffentliche Interesse", jenes der Fans, zu viel geworden ist?

HIRSCHER: Man beginnt halt, abzuwägen. Ich weiß jetzt, dass es gewisse Dinge, oder Veranstaltungen gibt, die mir weniger geben, als sie mich kosten.

Heute sieht man Sie im Anzug - kleiden Sie sich gerne so?

HIRSCHER: Ehrlich? Gestern ist es mir ziemlich auf die Nerven gegangen. Weil ich extra noch zu Bernie Adelsberger fahren musste, um so einen depperten Fetzen zu kaufen (lacht). Aber im Ernst: Manchmal passt es ganz gut, ja.

Apropos passen: Beim Auftakt in Sölden hat es für sie nicht ganz gepasst, schien es. Als Dritter schienen Sie beunruhigter als alle anderen zu sein, was die Zeitdifferenz zu Ted Ligety angeht. Hat sich diese Beunruhigung schon gelegt?

HIRSCHER: Ja, weil sie zu einem großteil erklärbar ist. Ich war im Steilen zwei Mal schneller als Ted. Nur, wenn du beim Übergang ins Flache nur zwei km/h langsamer warst, dann hatte das unglaubliche Auswirkungen. Aber ich weiß, dass ich so schnell fahren kann wie er.