Der fünfmalige Weltcup-Gesamtsieger Martin Fourcade erwägt einen Weltcup-Boykott, sollte der Biathlon-Weltverband (IBU) im sich anbahnenden Dopingskandal um die russischen Skijäger nicht hart durchgreifen. "Ich hoffe, sie haben die Eier, sie zu sperren. Wenn nicht, müssen die Biathleten selbst aktiv werden", sagte der Franzose dem norwegischen Fernsehsender NRK in Nove Mesto.
Der zweimalige Olympiasieger, der in dieser Saison sechs der sieben Einzelrennen gewonnen hat, fordert ein rigoroses Vorgehen des Weltverbandes. "Ich glaube, dass die IBU jetzt das Richtige tut. Sie haben viele Beweise. Es sind ja nicht nur ein oder zwei, sondern 31", sagte Fourcade. Sollte aber nichts rauskommen, werde er im Jänner "seine Kollegen ermutigen, nicht zu starten", sagte Fourcade.
Anton Schipulin bleibt entspannt
Derweil gibt sich der russische Topmann Anton Schipulin entspannt. "Diese Informationen rufen bei mir ein Lächeln hervor. Jedenfalls verfalle ich nicht in Panik", sagte der Staffel-Olympiasieger von Sotschi. "Mir scheint, dass sich hier die Politik allzu sehr in den Sport mischt. Ohne jede Beweise russische Sportler zu beschuldigen, ist zu viel. Das Ganze spitzt sich zu weit zu", meinte Schipulin.
IBU-Präsident Anders Besseberg hatte am Donnerstag die Vorwürfe gegen Russland öffentlich gemacht. Der IBU liegt demnach eine Liste mit 31 dopingverdächtigen russischen Athleten aus dem McLaren-Bericht über weitreichende Dopingvergehen Russlands in zahlreichen Sportarten vor.
Forderung nach Namensnennung
Direkte Beweise und unverschlüsselte Namen liegen bisher nicht öffentlich nicht vor. "Wir werden das erst kommentieren, wenn es mehr Klarheit gibt", sagt Sportminister Pawel Kolobkow angesichts der vielen offenen Fragen nach dem zweiten McLaren-Report zum vermutlich staatlich dirigierten Dopingsystem in Russland. Russlands Herrentrainer Ricco Groß forderte von der IBU eine schnelle Veröffentlichung der Namen: "Momentan reden alle nur um den heißen Brei, und es kommt zu Spekulationen und Vorverurteilungen." Sein Team werde "sehr wohl beäugt, anders angeschaut. Aber einige Athleten werden definitiv grundlos mitbelastet."
Die IBU könnte bereits am 22. Dezember erste Ergebnisse präsentieren. Bis kurz vor Weihnachten solle eine Expertengruppe aus fünf Nationen die 31 Fälle aus dem McLaren-Report prüfen und dem IBU-Vorstand Bericht erstatten. Im Rahmen der IBU-Anti-Doping-Regeln und des WADA-Anti-Doping-Codes solle die Expertengruppe "einschlägige Disziplinarmaßnahmen" vorschlagen.
Russlands Verband musste bereits Strafe zahlen
In der Saison 2013/14 war der russische Verband RBU wegen drei Dopingfällen von der IBU zur Höchststrafe von 100.000 Euro verurteilt worden. 2009 mussten die Russen wegen mehrerer Dopingfälle 50.000 Euro zahlen.
Norwegens Olympiasieger Emil Hegle Svendsen und sein Teamkollege Johannes Thingnes Bö befürworteten bei einer erdrückenden Beweislage auch einen Komplettausschluss des russischen Teams. "Ich unterstütze einen Ausschluss, würde es aber schade finden", sagte Svendsen. Bö ergänzte: "Sie sind unschuldig, bis das Gegenteil bewiesen ist. Deshalb hoffe ich, dass die Beweise stark genug sind, wenn sie bestraft werden. In dem Fall unterstütze ich einen Ausschluss Russlands."
Auch die Austragung von internationalen Wettkämpfen in Russland scheint gefährdet. "Die Chancen, dass in einer solchen Lage in Russland der Weltcup in Tjumen und 2021 die WM stattfinden werden, sind sehr klein", kommentiert die Tageszeitung "Sport-Express" am Freitag und wittert Ungemach: "Natürlich müssen wir darum kämpfen - aber die größere Gefahr ist der Ausschluss aus der Biathlonfamilie."