Marcel Hirscher kehrt am Donnerstag (17.45/20.45 Uhr, live ORF eins) an die Stelle zurück, die seine Lebensumstände einschneidend verändern hätte können. Während des Nachtslaloms in Madonna verfehlte ihn im Vorjahr eine abstürzende Drohne nur ganz knapp. "Ich habe sehr viel Glück gehabt", hat Hirscher die Sache mittlerweile hinter sich gelassen. Wichtig ist ihm die Jagd auf Henrik Kristoffersen.
Am 22. Dezember 2015 erhielt Hirscher ein "verfrühtes Weihnachtsgeschenk", wie er nachher sagte. Tatort war die Canalone Miramonti, seit 1957 Schauplatz von mitunter spektakulären Rennen. Im zweiten Durchgang des Slaloms krachte eine TV-Drohne aus beträchtlicher Höhe unmittelbar hinter ihm auf die Piste. Mit einer Kamera ausgestattet, sollte das Fluggerät dem Zuschauer noch spannendere Bilder aus der Vogelperspektive nach Hause liefern. Technisches Versagen hätte aber beinahe zur Katastrophe geführt.
Hirscher bekam den Absturz im Flow-Zustand nicht bewusst mit, konzentrierte sich voll auf seinen Lauf, der ihn schließlich auf den zweiten Platz hinter Kristoffersen brachte. Im Zielstadion, in dem auch Hirschers Freundin Laura Moisl wartete, harrte die Situation einer Klärung. Als sich Hirscher die Bilder dann zu Gemüte führte, bekam er feuchte Hände. "Man darf gar nicht nachdenken, was da passieren kann", betonte er.
Laut dem TV-Vermarkter Infront hatte wahrscheinlich eine Fehlfunktion der Drohne Schuld an dem Vorfall. Mittlerweile ist die Sache zwar nicht vergessen, aber doch verarbeitet. Am Anfang habe Hirscher sich das Video noch oft angeschaut, "aber dann war es vorbei damit, dem Ganzen zu viel Bedeutung zu geben. Ich habe Glück gehabt, sehr viel Glück gehabt, aber das war es dann auch", sagte der Weltcup-Leader.
"Sicherlich denkt man hin und wieder nach und überlegt. Aber ich gehe davon aus, dass die Drohnen dieses Jahr nicht mehr fliegen", schloss Hirscher das Thema ab. Seine Annahme ist richtig: Da die von Infront in Auftrag gegebene technische Analyse noch immer nicht endgültig abgeschlossen ist, werden auf Drohnen montierte Kameras im Weltcup bis auf Weiteres nicht zum Einsatz kommen, bestätigte die FIS der APA - Austria Presse Agentur auf Anfrage. Zusatz: Das bedeute aber kein Nein für immer.
Hirschers Fokus liegt auf dem sportlichen Geschehen. Das Ziel des positiv Getriebenen heißt, Slalom-Wunderkind Kristoffersen das Siegen schwer zu machen. Der Norweger verzichtete auf das erste Rennen in Levi aufgrund des schwelenden Streits um Leider-nein-Helmsponsor Red Bull, nahm Hirscher im zweiten Slalom in Val d'Isere dann stattliche 75 Hundertstel ab.
"Der Abstand zwischen Henrik und dem Rest der Welt ist riesengroß. Wir werden sehen, ob ich ihm etwas näherkommen kann", sagte Hirscher kleinlaut vor dem Traditions-Event im Trentino, das erstmals live auch in China im Fernsehen zu sehen sein wird. Der 27-Jährige klagte in Val d'Isere zudem über Probleme mit dem Material.
Kristoffersen wollte Hirscher das Understatement nicht abkaufen. "Es gibt sicher keinen großen Abstand zwischen mir und dem Rest der Welt. Ich kann das nicht in jedem Rennen erwarten, ich muss wirklich hart dafür arbeiten", widersprach der 22-Jährige. "Marcel hat gesagt, dass er ein bisschen mit dem Equipment gekämpft hat, das könnte sein. Wir werden sehen, wie es in Madonna ist." Er sei jedenfalls ein Fan von Nachtrennen, sagte Kristoffersen.
Die Drohnen-Affäre stahl im vergangenen Jahr nicht nur dem Norweger die Show, sondern überschattete auch die Landung von ÖSV-Hoffnung Marco Schwarz in der Slalom-Weltspitze. Der Kärntner fuhr als 20-Jähriger bei seinem elften Weltcup-Einsatz erstmals aufs Stockerl. Unter Flutlicht katapultierte sich der Halbzeit-17. im von ÖSV-Gruppentrainer Marko Pfeifer gesetzten zweiten Durchgang noch auf Platz drei.
"Natürlich kehrt man mit guten Erinnerungen zurück hierher. Und ich denke auch oft ans Vorjahr, man schaut sich die Fahrt auch oft an. Ich habe ja selbst auch vorher schon gewusst, dass ich schnell bin, da habe ich es erstmals gezeigt. Und jetzt gilt es, das wieder umzusetzen", sagte Schwarz.
In der laufenden Saison gab er in Levi als Halbzeit-Zweiter nach einem schwerem Fehler im zweiten Durchgang auf, in Val d'Isere patzte Schwarz nach Rang neun unten und wurde letztlich 23. "Der Speed passt auch heuer, das habe ich ja im ersten Lauf von Levi schon gezeigt. Ich habe halt bisher nur zwei blöde Fehler gemacht, die gilt es abzustellen", weiß er, was zu tun ist.
In Madonna schon gewonnen hat Felix Neureuther, 2014 führte er vor Fritz Dopfer einen deutschen Doppelsieg an. Nicht nur deswegen freut sich der Bayer besonders auf das Spektakel. "Madonna ist natürlich ein traumhaftes Rennen, einer der traditionellsten Slaloms", sagte Neureuther, der in Levi Vierter war und in Val d'Isere ausschied. "Ich will die Trainingsleistungen, die ich in letzter Zeit gebracht habe, abrufen. Ich denke, wenn mir das gelingt, schaut es ganz gut aus."