Frei nach dem Motto "ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen" setzte der FC Bayern München am Dienstagnachmittag die erste Video-Pressekonferenz der Klubgeschichte an. Nur eine Handvoll Journalisten war geladen, um einen möglichst reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Als die Verbindung zu jedem virtuell Anwesenden für gut befunden worden und das letzte Nebengeräusch aus den Reporter-Küchen oder -Wohnzimmern verstummt war, nahm Trainer Hansi Flick an gewohnter Stelle, im Presseraum an der Säbener Straße, Platz.
- Bayern-PK: Flick über Klose als Co-Trainer und die Zukunft von Boateng, Thiago und Co.
- Vahid Hashemian im Interview: "Ich hatte Angst vor Magaths Trainingseinheiten"
Es war der erste öffentliche Auftritt, nachdem sein Arbeitgeber am vergangenen Freitag feierlich bekanntgegeben hatte, den 55-Jährigen mit einem Cheftrainer-Vertrag bis 2023 auszustatten. Flick, der bisher neben seiner Tätigkeit als DFB-Sportdirektor und einem achtmonatigen Intermezzo als Hoffenheim-Geschäftsführer, zumeist als Co-Trainer in Erscheinung getreten war, soll fortan also langfristig die Geschicke auf der Bank des deutschen Rekordmeisters leiten. Eine Entscheidung, die abzusehen und mit Blick auf die Leistungen unter Flicks Ägide folgerichtig war.
Nach Vertragsverlängerung: Flick präsentiert sich selbstsicher
Nun, da ein großes Ausrufezeichen anstelle eines monatelang über München schwebenden Fragezeichens gesetzt wurde, stand Flicks Gebaren am Dienstag im Vordergrund. Würde man Veränderungen an seinem Auftreten wahrnehmen, hat die nun sichergestellte Zukunft merkliche Auswirkungen auf den stets souverän, aber bisweilen zurückhaltend wirkenden Flick?
Definitiv. Er präsentierte sich enorm selbstsicher und machte nicht nur nonverbal deutlich, dass eine Rückkehr als Assistent, als Schattenmann mittlerweile nicht mehr im Bereich des Denkbaren liegt.
"Ich habe bis 2023 bei Bayern München unterschrieben. Allein an dieser Tatsache ist ganz klar festzustellen, wohin der Weg geht: nämlich in die Richtung des Cheftrainers", erklärte er auf eine entsprechende Nachfrage und schob nach: "Ich war bislang Co-Trainer, Sportdirektor und Geschäftsführer. Dann habe ich ein Sabbatical eingelegt. Die vergangenen Wochen (seit die Corona-Maßnahmen greifen, Anm. d. Red.) waren für mich also nicht allzu ungewohnt. Ich konnte mir in Ruhe Gedanken machen, was ich vorhabe. Ich habe mich gefragt, wie ich in diesen schwierigen Zeiten trotzdem den Kontakt zur Mannschaft halten kann. Das war mir sehr wichtig und das haben wir gut hinbekommen."
Flick: "Habe meinen Weg als Cheftrainer gefunden"
Aussagen, die sinnbildlich für die Beziehung zwischen Team und Übungsleiter stehen seit Flick im Oktober von Niko Kovac übernommen hat: Bestmögliche Kommunikation in aufwühlenden Wochen, bedingungsloser Rückhalt vonseiten der Spieler, 18 Siege in 21 Pflichtspielen. Dementsprechend dankte der Übungsleiter seinen Spielern auch explizit: "Riesen Kompliment an die Mannschaft, die die Vorgaben hervorragend umgesetzt hat", sagte Flick, der noch ein weiteres Mal bekräftigte, "dass ich meinen Weg als Cheftrainer gefunden habe."
Die Planung sei zwar "eine andere" gewesen, als er im Sommer seine Zusage gab, Kovac, der immerhin das Double aus Meisterschaft und DFB-Pokal an die Isar geholt hatte, als Co-Trainer zu unterstützen. "Letztlich sind aber die Entwicklungen da, auf die man keinen Einfluss hat, wenn man sie annimmt." Dass es nun so verlaufen sei und er ein Arbeitspapier bis 2023 unterzeichnen durfte, habe er auch seinem Trainerteam zu verdanken, erklärte Flick und ergänzte bezüglich seines Stabs: "Sie machen einen tollen Job. Wir haben eine sehr gute Kommunikation und wissen, dass wir uns immer zu hundert Prozent einbringen müssen."
Flick verlässt den Co-Trainer-Kokon endgültig
Flick hatte bereits in den vergangenen Wochen und Monaten damit begonnen, sich seines Co-Trainer-Kokons zu entledigen. Während des Trainingslagers in Katar beispielsweise, als er sehr bestimmt und unverblümt Verstärkungen in der Winterpause einforderte. Oder Mitte März, als er im Gespräch mit der Sport Bild sagte, aus seiner Sicht müsse ein Trainer bei Neuzugängen ein Vetorecht eingeräumt bekommen.
Auf ebenjene Aussage angesprochen, gab Flick zu, ein "taffes Wort" verwendet zu haben. Er unterstrich allerdings, dass es seiner Meinung nach ganz normal sei, dass ein Bayern-Trainer in derlei Entscheidungsprozesse einbezogen werde. Mit dieser Cyber-PK ist jedenfalls eines klar geworden: Flick ist entschlossen, sich als neuer starker Mann beim FC Bayern zu gerieren, er ist endgültig ins erste Glied gerückt.