Die Atmosphäre war überwältigend. Auf den Court Suzanne Lenglen im Stade Roland Garros blinzelte die Pariser Abendsonne durch die am obersten Teil des mit 10.000 Zuschauer bis auf den letzten Platz gefüllten Ovals durch die Windschutzgitter, unten auf dem Platz stellte sich Sebastian Ofner dem größten Match seiner bisherigen Karriere. Nach seinem überraschenden Durchmarsch aus der Qualifikation heraus bis ins Achtelfinale der French Open, traf der Steirer auf den Weltranglistenfünften Stefanos Tsitsipas. Eine weitere Sensation wollte dem 27-Jährigen bei den French Open jedoch nicht gelingen, doch durfte der Österreicher trotz der 5:7, 3:6, 0:6-Niederlage stolz auf seine Darbietung sein.

Vor den Augen seiner Eltern Gabi und Hansjörg, Touring-Coach Steve Rettl und ÖTV-Sportdirektor Jürgen Melzer, der den zum Auftakt des Juniorenbewerbs siegreichen Joel Schwärzler betreut, zeigte Ofner auf der für ihn noch ungewohnt großen Bühne keine Nervosität. Im Gegenteil, der St. Mareiner legte frech mit einem Break los und hielt sein Service zumindest bis 3:1. Dann begann das Werkl des Griechen unaufhaltsam immer besser zu laufen. Tsitsipas’ Überlegenheit spiegelte sich in einem Match, das sicher nicht die allerhöchste Tenniskunst servierte, vor allem in einem Punkt wider: Die Konstanz bei der Länge der Schläge, die Ofner immer wieder in Verlegenheit brachte. Zudem fabrizierte der Österreicher zu viele unerzwungene Fehler – vor allem auf der Vorhand. 

"Es waren zwei unglaubliche Wochen"

„Heute war das größte Problem, dass ich körperlich nicht mehr zu einhundert Prozent da war. Es ist generell gegen so einen Spieler schwierig, aber wenn ich voll fit bin, kann ich so jemanden ärgern mit meinem Spiel. Doch nach sechs Matches und vor allem der dritten Runde über fünf Sätze war die Luft leider schon ein bisschen draußen“, bilanzierte Ofner, der die Bühne seines Achtelfinales „richtig cool“ fand, „auch wenn die Partie die Fans jetzt nicht so mitgerissen hat. Aber es waren zwei unglaubliche Wochen.“

Das letztlich deutliche Ergebnis soll die Leistung des Schützlings von Trainer Wolfgang Thiem aber nicht schmälern. Wer hätte schon zu Beginn des Turniers gedacht, dass der Steirer als letzter ÖTV-Vertreter die Fahnen Österreichs beim größten Sandplatzturnier der Welt hochhalten und so tief in das Turnier vorstoßen würde? Doch mit den Siegen über Maxime Cressy, Sebastian Korda und Fabio Fognini hat Ofner in eindrucksvoller Manier bewiesen, was in ihm steckt. 

Auch die Belohnung kann sich sehen lassen: 240.000 Euro Preisgeld sowie 205 ATP-Punkte, dank denen Ofner in der in einer Woche neu erscheinenden Weltrangliste zwischen Platz 80 und 90 aufscheinen wird. Ob es sich auch ausgehen wird, um Dominic Thiem (der spielt ab heute beim Challenger in Heilbronn) als Österreichs bestplatzierten Spieler abzulösen, ist noch nicht sicher.

Ofner wird nun eine Pause einlegen und ab 19. Juni als Vorbereitung auf die Wimbledon-Qualifikation den Challenger in Ilkley bestreiten. An den Rasen-Klassiker hat er gute Erinnerungen, schaffte er doch dort 2017 aus der Qualifikation heraus sensationell den Einzug in die dritte Runde. Würde ihm das heuer wieder gelingen, wäre es hingegen kein, wie Ofner sagt, „Zufallsprodukt“ mehr, sondern eine weitere Bestätigung seines Könnens.

Kracher im Viertelfinale

Tsitsipas trifft nun im Viertelfinale in Paris auf Topfavorit Carlos Alcaraz aus Spanien. In diesem Match wird der Grieche der Außenseiter sein.