Keine Frage - im österreichischen Tennis dreht sich alles um den Namen Dominic Thiem. Der Weltranglistenfünfte hat den "weißen Sport" in der Alpenrepublik nach dem Abtritt von Thomas Muster und der darauffolgenden Talfahrt wieder richtig salonfähig gemacht. Ja, Tennis ist wieder in.
Allerdings handelt es sich dabei um eine One-Man-Show. Bei den Damen hat Österreich seit Jahren keine Top-100-Spielerin mehr. Und bei den Herren? Da stehen hinter Thiem derzeit Dennis Novak (ATP-Nr 124), Sebastian Ofner (165), Lukas Miedler (277) und Jurij Rodionov (291) in der zweiten Reihe.
In der Wiener Stadthalle ereilte Ofner das Aus bereits in der ersten Qualifikationsrunde gegen den Deutschen Philipp Kohlschreiber, Novak zog in der ersten Hauptrunde in einem skurillen Match gegen Gael Monfils knapp den Kürzeren. Betreut wird das Duo von Wolfgang Thiem, der beide zuletzt von der Bresnik-Akademie "losgeeist" hat. Wie Papa Thiem die Zukunft der beiden sieht, erklärte er in folgendem Interview:
Wie sieht der Vorbereitungsplan für Novak und Ofner für die Saison 2020 aus?
WOLFGANG THIEM: Zuerst die Konditionsvorbereitung die ersten drei Wochen in Wien und am 20. Dezember geht's dann für beide nach Australien.
Novak hat Julian Knowle als Touringcoach, hat Ofner ebenfalls einen eigenen?
THIEM: Ja, er hat den Alex Peya und ich hoffe, dass beide Zusammenarbeiten im nächsten Jahr fortgesetzt werden. Genaue Gespräche hat es noch nicht gegeben, doch die Konstellationen haben sich bewährt.
Wie sind Sie mit der Entwicklung Ihrer beiden Schützlinge zufrieden?
THIEM: Dennis hat in den letzten Wochen und Monaten gezeigt, dass er wieder eine Stufe nach oben geklettert ist. Ein Vergleich mit Dominic ist aber schwierig, weil es bei Dennis langsamer geht. Er ist mit den Top-50-Spielern definitiv auf Augenhöhe. Das hat man auch im Match gegen Monfils gesehen. Er ist den Top 100 schon viel näher gekommen, nur sollten diese nun bald einmal fallen.
Ist das dann frustrierend, wenn man sieht, wie etwa der erst 18-jährige Italiener Jannik Sinner scheinbar spielend leicht die Tenniswelt im Sturm zu erobern scheint?
THIEM: Er ist eben eine dieser klassischen Ausnahmeerscheinungen. Hut ab, wie der spielt. Aber von dieser Sorte gibt es eben nur ganz wenige, wie etwa einen Tsitsipas, einen Zverev, einen Shapovalov oder einen Auger-Aliassime. Das sind höchstens zehn Spieler, bei denen die Entwicklung eben viel schneller läuft, als bei allen anderen.
Fehlt Novak der Killerinstinkt?
THIEM: Jeder Spieler ist unterschiedlich, jeder hat seine Stärken und Schwächen. Dennis erweckt zwar immer den Anschein, als würde er nicht einhundert Prozent geben, doch das ist definitiv nicht der Fall. Der gibt auf dem Platz alles. Aber du wirst eben erst dann professioneller, wenn du dich länger auf einem hohen Niveau bewegst. Und wenn du im Jahr auf zehn oder 15 ATP-Turniere kommst, hebst du dein Niveau gleich um ein bis zwei Stufen.
Novaks Einstellung soll schon viel besser geworden sein, doch meinte Knowle, man müsse noch an ein, zwei Schrauben drehen.
THIEM: Wenn Dennis auf Challenger fährt, weiß er genau, da hat er seinen Platz, da schauen manche auf. Und da weiß er, dass er gegen die meisten gewinnen kann. Da kann er sich einordnen. Auf der ATP hat er diese Selbstverständlichkeit noch nicht. Und die bekommt er erst, wenn öfter solche Matches hat wie gegen Monfils.
Und wie sehen Sie die Entwicklung von Ofner?
THIEM: Ich würde ich ähnlich einstufen wie den Dennis. Er ist drei Jahre jünger - er arbeitet sehr seriös und ordnet dem Tennis alles unter. Er entwickelt sich langsam stetig nach vorne. Der nächste Schritt bei ihm sind die Top 100 - das wird noch ein, zwei Jahre dauern. Sein Spiel ist noch nicht so "fertig" wie jenes von Dennis. Er hat noch viel mehr Ups and Downs. Da sind noch immer ein, zwei Games dabei, wo er einen Aussetzer hat. Da geht es noch um Stabilität und Konstanz und darum, dass er sein Spiel findet. Er muss von hinten noch sicherer werden. Sie sind beide keine Überflieger, aber extrem interessante Spieler, weil sie dem Tennis alles unterordnen.
Verstehen Sie die Kritik, dass die Entwicklung der beiden zu langsam fortschreiten würde?
THIEM: Ich verstehe es schon. Weil, wenn ich mich in einem Sport nicht auskenne und Sebastian in Kitzbühel Semifinale gespielt hat und in Wimbledon einmal hineingecrasht ist, ich mir dann erwarte, dass das dann stetig so nach oben weitergeht. Aber so läuft das nicht. Das wäre das gleiche, wenn ich sage, dass ich nicht verstehe, warum der oder der im Skifahren keine Seriensiege feiert. Weil ich auch nicht weiß, wie gut der ist bzw. wie schwer es ist. Da muss man schon die Kirche im Dorf lassen. Es gibt ein paar Überflieger, die sich schnell entwickeln - dazu zählen sie nicht. Aber wie gesagt, davon gibt es vielleicht zehn oder 15. Dann bleiben aber noch immer 85 Plätze in den Top 100 übrig.
Auf Stufe eins steht Dominic Thiem, auf Stufe zwei stehen Dennis Novak und Sebastian Ofner. Und dahinter?
THIEM: Der Rodionov ist ein 99er-Jahrgang und hat definitiv das Potenzial für die Top 100. Auch, wenn es sich im letzten Jahr nicht so entwickelt hat, wie man es nach seinen Ergebnissen erhofft hatte.
Sie haben die Zusammenarbeit in der Akademie mit Günter Bresnik beendet. Gibt es schön neue, konkrete Pläne?
THIEM: Nein, noch nicht, aber mittelfristig möchte ich sicher etwas machen. Wo, weiß ich noch nicht. Die Südstadt wird schwierig, weil es nur wenige Plätze gibt. Wenn, muss man sich von dort wegbewegen. Vielleicht wird es eine eigene Akademie
"Ehe-Aus" bei Marach und Melzer
Keine guten Nachrichten gibt es von der rot-weiß-roten Doppelfront. So haben sich Oliver Marach und Jürgen Melzer, die sich erst heuer im Juni als Team zusammengeschlossen haben, nach der Auftaktniederlage in Wien (die fünfte im Folge) wieder getrennt. Die Gründe dafür erklärt Marach im Interview:
Warum kam es zur plötzlichen Trennung?
OLIVER MARACH: Wir haben uns mehr erhofft, doch die Resultate haben in den letzten beiden Monaten überhaupt nicht gepasst. Wir haben kein einziges Top-Doppel geschlagen.
Das heißt, Sie werden auch nicht mehr in Paris-Bercy gemeinsam aufschlagen?
MARACH: Nein, wir haben die Saison beendet. Ich habe zuletzt sowieso zu viel gespielt und wieder körperliche Probleme. In den nächsten drei Wochen muss ich Tabletten nehmen, aber dann sollte es wieder passen. Ich fliege am Freitag nach Hause nach Panama, dann gibt's vier Tage Urlaub in Santioago de Chile und dann starte ich schon wieder mit dem Fitnessprogramm für die kommende Saison.
Hat es auch intern gekracht?
MARACH: Überhaupt nicht. Wir verstehen uns nach wie vor super und werden auch gemeinsam beim ATP-Cup, beim Davis Cup und bei Olympia in Tokio spielen.
Haben Sie schon neue Partner für die nächste Saison?
MARACH: Ja, Jürgen spielt mit dem Franzosen Edouard Roger-Vasselin, ich mit Raven Klaasen.
Was können Sie über den Südafrikaner sagen?
MARACH: Ich habe noch nie mit ihm gespielt, aber er ist ein absoluter Topmann und Dauergast bei den ATP-Finals. Auch heuer wieder mit dem Neuseeländer Michael Venus. Aber die beiden trennen sich danach. Raven ist sehr schnell am Netz - genauso jemanden brauche ich an meiner Seite. Außerdem kann ich bei ihm auf der Rückhandseite spielen. Er ist zwar ein kleiner Spieler, aber wir werden sich zusammenfinden.
Wann startet für Sie die neue Saison?
MARACH: Aller Voraussicht nach in Brisbane.