In einem der Prunkräume der Albertina in Wien, dem spanischen Appartment, gab Dominic Thiem am Tag der Vor-Premiere seiner großen Dokumentation einem kleinen Medienkreis Audienz. Der 25-jährige Tennis-Star, der später begeistert die 52-minütige Doku "Der Thiem-Spirit" im Filmmuseum verfolgte, äußerte sich u.a. über das spannende Wimbledon-Finale und gab einen Ausblick auf den Saison-Rest.

Der Fünfsatz-Erfolg von Novak Djokovic über Roger Federer in Wimbledon nach 4:57 Stunden und mit 13:12 im Schluss-Satz hat Thiem vor allem vom Spannungslevel her gefallen. "Ich habe nicht das ganze Match gesehen, ich habe das ganze Halbfinale Federer-Nadal gesehen. Eigentlich hat mir dieses Match vom Niveau her besser gefallen, aber das Finale war unglaublich spannend", erklärte Thiem, der auch den teilweise kritisierten Tiebreak bei 12:12 "eigentlich cool" gefunden hat. "Das Match hat keinen Verlierer verdient gehabt."

Sein eigener Auftritt hatte ja enttäuschend schon in Runde eins bei schwerer Auslosung gegen den Aufschlag-Riesen Sam Querrey (USA) geendet. "Bis zu dieser Situation im dritten Satz war es echt in Ordnung. Ich habe dann kurz völlig die Konzentration verloren, dann war das Match weg", erinnerte sich der Lichtenwörther. "Die Auslosung danach war schon gut, Querrey hat die super ausgenutzt. Es war diese eine richtig harte erste Runde und danach wäre es echt eine ganz passable Auslosung gewesen, aber ich kann nichts mehr dran ändern."

Dass ihm Rasenpraxis vor Wimbledon gefehlt hat, wollte er auch mit einigem Abstand nicht gelten lassen. "Nein, ich würde es im nächsten Jahr wieder so machen. Djokovic, Nadal haben auch keine einzige Partie davor gespielt. Rasen ist auch eine große Erfahrungssache wie man es nach Paris angeht." Im Hinblick auf das restliche Jahr, so Thiem, wäre es nicht gescheit gewesen, wenn er ein oder zwei Vorbereitungsturniere eingestreut hätte.

Wieder komplett frisch

Nach Wimbledon hat Thiem einige Tage nichts gemacht, ist dann aber wieder "komplett frisch" ins Training gegangen. Zudem blieb auch Zeit, lange Gespräche mit seinem neuen Manager Herwig Straka zu führen und auch ein ganztägiger Trip an die Heimstätte von Bekleidungssponsor "adidas" hat Thiem absolviert. Dort wurde der zweifache French-Open-Finalist nochmals von Scheitel bis zur Sohle vermessen.

Zudem habe Thiem "an ein paar technischen Sachen arbeiten können". Genauer gesagt, dass er die Rückhand besser im Aufsteigen nehmen will. "Und dass ich überhaupt mehr in den Platz reinsteige, was Nadal perfekt gemacht hat und was der kleine, aber feine Unterschied war in dem Match", erinnerte er noch einmal an das Paris-Endspiel zurück.

Die nächste Turnierphase beginnt am Samstag mit dem Abflug zum ATP-500-Turnier nach Hamburg, danach spielt Thiem sein Heimturnier in Kitzbühel. Zwei Sandturniere, ehe es in den nicht minder anstrengenden Hartplatz-Swing geht. "Ich fühle mich echt gut, ich freue mich auf die ganzen Turniere. Ich denke, dass ein paar sehr guten Leistungen nichts im Wege steht bis New York."

Eine Woche hat er mit Vater Wolfgang Thiem trainiert, seit vergangenen Samstag ist Coach Nicolas Massu in der Südstadt. Aktuell stehen die Zeichen gut, dass der Trainer auch 2020 weiter an Thiems Seite stehen wird.

Die Lücke zu den "big three", die nun wieder alle drei das Welttennis auch im Ranking dominieren, hat Thiem etwas verkleinert. "Es hat auch eine Zeit gegeben, als einer völlig unantastbar war", erinnerte Thiem an einen überlegenen Djokovic 2015. "Das ist jetzt auch nicht der Fall, man kann die alle jederzeit schlagen, nur kommt es halt auf die Konstanz an. Um die wirklich großen Turniere zu gewinnen, reicht halt einer nicht, man muss zwei von denen schlagen."

Überrascht stellte auch Thiem, darauf angesprochen, fest, dass selbst der 20-fache Major-Sieger Roger Federer bisher noch bei keinem Grand Slam Djokovic UND Nadal geschlagen hat. Ein Ende der Dominanz dieses Trios sieht Thiem nicht zwingend sehr schnell. "Bei Nadal weiß man es natürlich nie wie er das Ende vom Jahr spielt, auf Sand sehe ich ihn sicher noch drei, vier, fünf Jahre auf absolutem Spitzenlevel", glaubt der Lichtenwörther. "Federer muss irgendwann ein bisserl abfallen allein wegen des Alters, aber ich glaube, dass auch noch ein, zwei Jahre voll sind und Djokovic wird von denen am längsten dabeisein."

Davis-Cup auf dem Plan

Zudem warnt er vor falschen Trugschlüssen. "Es wird dann auch nicht leichter, weil es richtig starke junge Spieler gibt, die sich ja auch jede Woche weiterentwickeln. Es wäre ein Fehler jetzt zu sagen, wenn die aufhören, dann werde ich sowieso viele Turniere gewinnen."

Für den Rest der Saison ist er vorsichtig zuversichtlich. "Man kann nie wissen, was passiert. Vor zwei Jahren ist aus einer vielversprechenden zweiten Saisonhälfte eine 'Drecks-Saisonhälfte geworden". Neu im Herbst-Turnierplan ist übrigens Peking, seinen Titel in St. Petersburg wird er wegen des gleichzeitigen Laver Cups in Genf nicht verteidigen.

Auch den Auswärts-Davis-Cup in Finnland hat er auf dem Plan. "Ich will unbedingt spielen, das ist klar. Es wird vielleicht ein bisserl darauf ankommen, wie gut ich jetzt spiele, aber generell will ich in Finnland unbedingt dabei sein."

Wichtig ist es für Thiem freilich auch, endlich längerfristig gesund zu bleiben. Da helfe ihm die Pause (innerhalb von sechs Wochen nur ein Match). "Da ist die Gefahr sicher geringer, dass ich irgendwas kriege, als wenn ich die ganze Zeit an der absoluten Grenze bin und dann noch fliege und Jetlag habe. Dieses Jahr ist die Turnierplanung bis jetzt echt gut, und wenn der Körper nicht andauernd am Limit ist, kann man es auch schaffen, dass einmal ein Jahr ohne Verkühlung vorübergeht."

Hinzukommt, dass seit der Verpflichtung von Fitnesscoach Duglas Cordero sich auch etwas geändert hat. "Dieses Jahr ist das erste, seit ich Duglas habe, in dem ich regelmäßig Fitnesstraining mache. In den letzten Jahren war es immer blockweise." Dies sei nun anders. "Ich krieg jeden Tag ein Programm, was ich zu tun habe", erzählt Thiem, der glaubt, dass er dadurch einen gewissen körperlichen Standard besser halten kann.

Seine Ziele für den Rest des Jahres könnte man mit 'einfach konstant gut spielen' übertiteln. "Das Masters sollte sich unter normalen Umständen ausgehen. Auch wenn ich eine schlechte zweite Saisonhälfte spiele. Aber das ist nicht das Primärziel", erläutert Thiem. "Ich habe ab Indian Wells bis auf ein paar Ausrutscher relativ konstant auf hohem Level gespielt, das will ich unbedingt weitermachen."

Unmittelbar nach Kitzbühel, wo er die Jagd nach seinem ersten Heim-Turniertitel wieder aufnimmt, steht das Masters-1000-Turnier in Montreal auf dem Programm. Da will er endlich sein erstes Match gewinnen. "Dort habe ich noch nie eine Partie gewonnen, was ein Wahnsinn ist eigentlich." Und natürlich stehen auch die US Open bei Thiem hoch im Kurs. In New York hatte er im Vorjahr seine bisher wohl beste Partie überhaupt im Viertelfinale im fünften Satz gegen Nadal verloren. "Eines von meinen absoluten Lieblingsturnieren, dort will ich wieder richtig gut performen."

Einige Entscheidungen wird Thiem erst nach den US Open treffen. Zum Beispiel, wo er die Saisonvorbereitung absolvieren wird. "Ich bin mir sicher, dass sie nicht in Teneriffa passieren wird", erklärt er. "Vielleicht in Miami oder wir fliegen sehr früh nach Australien mit Dennis (Novak) und Ofi (Ofner), weil die beim ATP Cup wahrscheinlich dabeisein werden."