Er hat sich nach Jahrzehnten im österreichischen Tennis aus der rot-weiß-roten Szene zurückgezogen, ist aber immer noch in dem Sport aktiv. Ronald "Ronnie" Leitgeb feiert am Montag in seiner Wahlheimat Spanien seinen 60. Geburtstag. Dort, wo der gebürtige Mödlinger in Marbella langsam ein neues ATP-Turnier aufbaut und er auch Abstand gewonnen hat.

Im Blick auf sein Leben äußert sich Leitgebr u.a. zu seiner neuen Leidenschaft Skitourengehen, aber auch zum ÖTV. Der ehemalige Coach und Manager von Thomas Muster, Veranstalter von Davis-Cup-Events, Davis-Cup-Kapitän und ÖTV-Präsident spricht über die weiterhin vorhandenen Streitereien im ÖTV und glaubt, dass sein Rückzug bester Beweis dafür ist, dass er damit nichts zu tun hat. In der Entwicklung von Dominic Thiem sieht Leitgeb eine "notwendige Veränderung", und er traut Thiem schon 2019 in Roland Garros die Nachfolge von Muster zu.

Sie feiern am Montag ihren 60. Geburtstag. Wie werden Sie den Tag verbringen?

Ronald Leitgeb: "Ich mache es, wie es zu mir passt. Ich habe schon ein Skirennen gemacht, jetzt mache ich noch ein Golf- und ein Tennisturnier in der Folge. Ich werde am Montag im kleinen Kreis feiern, dann gibt es später noch ein Festl."

Vom Eiskunstlauf-Talent zum Radio-Reporter, vom Muster-Macher zum Davis-Cup-Veranstalter und ÖTV-Präsidenten. Wie blicken Sie auf Ihr Leben zurück?

Leitgeb: "Ich habe eine große Dankbarkeit, dass ich dieses Leben haben durfte, weil ich mehr erreicht habe, als ich mir je erträumt hätte. Mit allen Höhen und Tiefen, die dazu gehören, die so einen Weg prägen. Es gibt ein paar Highlights wie den Davis Cup im Praterstadion, die Halle zu bauen gegen Deutschland am Schwarzlsee, aber auch die Geschichte, mit dem Niki Lauda gemeinsam den Davis Cup am Wiener Hangar am Flughafen zu machen. Das sind Dinge, auf die ich auch stolz bin, und es ist auch eine Freude, dass ich immer noch darauf angesprochen werde."

Aber ganz oben steht auch in Ihrer Vita wohl die Zeit mit Thomas Muster.

Leitgeb: "Na sowieso, das steht ja über allem. Diese intensive Beziehung, das war der Mensch, mit dem ich 16 Jahre am engsten zusammengelebt habe."

Sie haben sich aus dem Tennis in Österreich zurückgezogen, sind aber dem Sport treu geblieben. Beim Challenger in Marbella sind Sie Turnierdirektor. Soll das einmal ein ATP-Turnier werden?

Leitgeb: "Genau, das ist mittelfristig das Ziel. Marbella hatte viele Jahre ein Turnier, das geht noch auf Björn Borg und Manuel Santana zurück. Es hat jetzt schon ATP-Charakter, aber wir wollen noch zwei, drei Jahre einen ordentlichen Challenger machen."

Sie besitzen immer noch eine ATP-Tour-Lizenz, derzeit in Lyon. Möchten Sie mit dieser einmal nach Österreich zurückkehren?

Leitgeb: "Eher nicht, nein. Ich muss ehrlich sagen, ich genieße es sehr, dass ich diese ewigen Streitereien, die es ja bis zum heutigen Tage im österreichischen Tennis gibt, hinter mir gelassen habe. Ich kann glaubwürdig nachweisen, dass ich damit nichts zu tun habe." (lacht)

Sie haben vermutlich mitbekommen, was sich vor einigen Wochen im ÖTV abgespielt hat. Eine angekündigte Revolution von Landesverbandspräsidenten, die dann doch nicht stattgefunden hat.

Leitgeb: "60 ist ja auch so ein Rückblick aufs Leben. Es gibt ja fast keine Position, die ich im österreichischen Tennis nicht bekleidet hätte: Vom ersten Turnier Spring Bowl, das ich mit meinem Bruder gemeinsam mit 18 gegründet habe, bis zum Pressereferenten im niederösterreichischen Tennisverband, Kärntner Landesverbandspräsident, Davis-Cup-Kapitän, Sportdirektor in der Südstadt, und dann letztendlich ÖTV-Präsident. Es wäre falsch zu sagen, dass es mich in meiner Tennis-Seele nicht trifft, dass diese ewigen Streitereien im österreichischen Tennis nicht aufhören. Klammer auf: interessante Beobachtung, dass eine andere Person immer irgendwo in Verbindung mit diesen Streitereien steht seit 20 Jahren."

Da lebt die alte Erzrivalenschaft (mit Günter Bresnik, Anm.) wieder auf.

Leitgeb: "Ja, es ist ja interessant. Ich bin jetzt weg und die Streitereien sind immer noch dieselben und es ist immer noch dieselbe Kritik aus derselben Ecke im Süden Wiens, was alles schlecht ist. Da hat sich nichts geändert. Aber es tut mir leid, weil diese Jahrhundertchancen, die sich immer wieder auftun fürs österreichische Tennis, nachhaltig nicht genutzt werden. Ob es ein Thomas Muster war, ob es ein Jürgen Melzer als Top-Ten-Spieler war, ob es die Einführung der ITN (eine internationale Bewertungsziffer zur Ermittlung der Spielstärke, Anm.) war, die in anderen Ländern wirklich genutzt wurde, um das Eigenkapital des Verbandes zu stärken. Das war ja auch mein großer Punkt, warum ich gesagt habe, ich mache keine zweite Periode (als Präsident, Anm.) mehr. Meiner Meinung nach sollte eine Änderung des Beitragssystems immer noch ein Hauptziel des ÖTV sein, um wirklich etwas bewirken zu können. Der ÖTV schafft es leider Gottes, sich selbst zahnlos zu machen."

Da könnte man natürlich einwenden, dass Ihnen dies in Ihren drei Jahren als ÖTV-Präsident auch nicht gelungen ist.

Leitgeb: "Nein, das war ja auch der Grund. Man hätte mit ITN eine Abgabe an den ÖTV machen müssen und hätte vom ÖTV her die Mittel auf die Bundesländer verteilt. Der ÖTV ist extrem lastig an öffentlichen Geldern und sehr dünn besiedelt, was Mitgliedsbeiträge und Sponsoren betrifft. Der holländische Tennisverband hat sich damit ein Budget von, glaube ich, über sechs Mio. Euro glaubwürdig erwirtschaftet."

Trotz der vielen Jahre lässt Sie das Tennis immer noch nicht kalt wie man hört.

Leitgeb: "Tennis ist eine sehr teure Sportart, um Jugendliche gut auszubilden. Wenn wir diese Jahrhundertchance mehrfach gehabt haben und nicht nachhaltig nutzen, dann wird es uns irgendwann einmal gehen wie dem schwedischen Tennisverband, die jetzt gerade noch zwei Südschweden haben, aber zu Thomas' (Muster, Anm.) vier Top-Ten-Spieler hatten."

Was sagen Sie dazu, dass sich Dominic Thiem entschieden hat, sich von Günter Bresnik als Trainer zu trennen?

Leitgeb: "Da bitte ich um Verständnis, dass ich dazu keinen Kommentar abgebe."

Dann vielleicht ganz allgemein gefragt: Kann so etwas eine Karriere noch nachhaltig verändern?

Leitgeb: "Ich glaube, dass eine Veränderung für den Dominic notwendig war, um eine Weiterentwicklung in seinem Spiel zu haben. Das sehe ich jetzt zum ersten Mal seit zwei, drei Jahren ansatzmäßig."

Wo sehen Sie die genau und war das auch etwas im Kopf?

Leitgeb: "Nein, nein. Das sind taktische und technische Veränderungen, das hat mit dem Mentalen gar nichts zu tun. Man darf das Mentale nicht als Ausrede verwenden, das sage ich jetzt als Mentalcoach. Wenn du in der Weltspitze bleiben willst, musst du jedes Jahr besser werden. Das sieht man auch, wenn man sich die Entwicklung von Federer, Nadal oder Djokovic, der sehr viel hier in Marbella trainiert, anschaut. Bei Dominic ist es z.B. der Volley. Dass die (Aushol-)Schleife auf der Vorhand zu groß ist für manche Plätze, das ist eine technische Geschichte. Am Hardcourt hat man gesehen, holt er bei der Vorhand mit einer kleineren Schleife aus, und auf einmal tut er sich um ein Eck leichter."

Sehen Sie Thiem schon in drei Wochen reif für den Roland-Garros-Titel?

Leitgeb: "'Why not?', würde ich sagen. Wobei in zwei Wochen bei einem Grand-Slam-Turnier, da kann wahnsinnig viel passieren. Aber warum nicht, ich würde mich auch wahnsinnig freuen. Ich habe dem Domi ganz zu Beginn seiner Karriere einen handschriftlichen Brief gegeben und geschrieben, es würde mich wahnsinnig freuen, wenn er es schaffen würde, der Nachfolger von Thomas zu werden, und es gäbe nichts Schöneres fürs österreichische Tennis, als nochmals einen Roland-Garros-Sieger zu haben. Er hat einen Vorteil: er weiß, dass es für einen Österreicher machbar ist. Thomas und ich haben diese großen Zweifel gehabt, als die Top 50 so weit weg waren, die Top 20 am Anfang so weit weg waren. Wir sind an diese Schritte immer mit großem Zweifel herangegangen. Dominic braucht diese Zweifel nicht haben."

Sie selbst würde der Aufbau eines jungen Spielers nicht mehr reizen?

Leitgeb: "So etwas sollte man mit einem 17-, 18-jährigen beginnen. Bis der Weltklasse ist, bin ich 70. Ich weiß nicht, ob er das lustig findet."

Spielen Sie selbst Tennis oder was ist daneben Ihre Leidenschaft?

Leitgeb: "Ich habe heuer wieder ein bisserl begonnen, spiele so einmal die Woche, was mir großen Spaß macht. Mein Hobby Nummer eins ist Skitouren und Tiefschneefahren, da habe ich richtig viel Zeit investiert. Das war jetzt auch so ein Vorgeburtstagsgeschenk, das ich mir selbst gemacht habe, in Island zum Helikopter-Skiing. Golf ist Nummer zwei."

In Ihrer Karriere fehlt lediglich ein Posten in der ATP oder der ITF. War das nie ein Thema?

Leitgeb: "Das war ein Thema in der ITF, als ich 2012 ÖTV-Präsident wurde. Ich war fürs Board nominiert und wäre sicher ins Board gekommen, wenn ich Präsident geblieben wäre. Das geht Hand in Hand."

Haben Sie denn einen Wunsch zum Geburtstag?

Leitgeb: "Möglichst lange gesund und fit bleiben, das ist das Allerwichtigste. Sich gut bewegen können, Sport betreiben können. Was mir am meisten abgehen würde im Alter wäre, wenn ich nicht mehr Skifahren könnte. Da bin ein großer Bewunderer von Ernst Hinterseer. Wenn ich ihm heute mit seinen 87 Jahren zuschaue, das ist eine Freude, ihn am Ski zu sehen."