Fünf Jahre nach seinem bisher letzten Wimbledon-Triumph hat Roger Federer am Sonntag seiner märchenhaften Karriere einen neuen Meilenstein hinzugefügt. Erstmals auch vor seinen Zwillingssöhnen Leo und Lenny streckte Federer den Pokal nach seinem achten (Rekord)-Wimbledon-Titel in die Höhe. Der 35-jährige Schweizer war beim 6:3,6:1,6:4 über einen nicht ganz fitten Kroaten Marin Cilic unantastbar.
Einmal mehr hat der am 8. August 36 Jahre alte werdende Eidgenosse Tennis-Geschichte geschrieben und nun auch den Rekord von Pete Sampras (7 Titel) ausgelöscht. Federer, der nach einer halbjährigen Pause im vergangenen Jänner mit einem sensationellen Triumph bei den Australian Open zurückgekehrt war, hat nun alle Chancen, sogar noch einmal zur Nummer eins der Welt zu werden.
Doch daran dachte Federer, der vor Rührung nach seinem bereits 19. Major-Titel in Tränen ausbrach, an diesem Tag nicht. Sein Gegner, der beim Stand von 3:6,0:3 beim Seitenwechsel vor Schmerzen weinte und Probleme mit seinem linken Fuß hatte, konnte Federer nur zu Beginn des ersten Satzes fordern. "Es ist manchmal bitter, aber du bist ein Held. Gratuliere für ein tolles Turnier. Du solltest stolz sein, es ist etwas Besonderes, hier ein Finale zu spielen", fand Federer, ein Gentleman wie immer, tröstende Worte für Cilic nach dessen zweiten Major-Finale nach dem US-Open-Triumph 2014.
In seinem elften Wimbledon-Finale, was natürlich ebenfalls eine Bestmarke ist, hatte Federer schnell die Weichen in Richtung Sieg gestellt. Schon nach 59 Minuten und dem zweiten Break im zweiten Satz zum 5:1 zweifelte niemand mehr am ersten Titelgewinn des Schweizers an der Church Road seit 2012.
"Es fühlt sich großartig an, diese Trophäe in den Händen zu halten und das Turnier gewonnen zu haben, ohne einen Satz verloren zu haben. Das ist magisch", freute sich Federer, dem beim Blick auf seine Frau Mirka und seine vier Kinder die Tränen kamen. 2014 und 2015 war er auf diesem Platz jeweils im Finale in fünf bzw. vier Sätzen an Novak Djokovic gescheitert, im Vorjahr hatte er angeschlagen nach Wimbledon seine lange Auszeit genommen, um ein Jahr später als Triumphator zurückzukehren.
Wie das möglich war? "Ich muss einfach mehr Auszeiten nehmen", scherzte Federer. "Ich war nicht sicher, ob ich hier jemals wieder ein Finale spielen würde. Aber ich habe immer daran geglaubt und da stehe ich jetzt. Darauf habe ich fünf Jahre gewartet", sagte Federer, dem u.a. Prinz William und Herzogin Kate sowie die britische Premierministerin Theresa May zugesehen hatten. "Es ist so ein spezieller Court für mich, so viele Legenden haben hier gespielt. Ich hoffe, das war nicht mein letztes Mal und ich hoffe, nächstes Jahr meinen Titel verteidigen zu können", sagte Federer unter dem Jubel der Zuschauer.
Federer, der einen Siegerscheck in Höhe von brutto umgerechnet 2,5 Mio. Euro kassiert, wird sich damit im Ranking vom fünften auf den dritten Rang schieben. Mit seinem insgesamt 19. Major-Titel baute er seine Führung in der Herren-Wertung aus. Vor ihm liegen weiterhin Margaret Court (24), Serena Williams (23) und Steffi Graf (22). Er kürte sich auch zum ältesten Herren-Einzel-Sieger der Profi-Ära (35 Jahre und 342 Tage).
Der ihm unterlegene Finalgegner Cilic stammelte unter Tränen, dass er "nie aufgegeben und mein Bestes gegeben" habe. "Es war heute wirklich hart, aber ich werde zurückkommen und es noch einmal versuchen", versprach er vor allem in Richtung seiner kroatischen Fans. Er wollte ja nach Goran Ivanisevic nach 2001 zum zweiten Wimbledon-Champion seines Landes werden.
Nur ein Spieler der Profi-Ära hat bei einem Grand-Slam-Turnier öfters triumphiert als Federer: Rafael Nadal, der dieses Mal sensationell schon im Achtelfinale an Gilles Muller (LUX) gescheitert war, hat vor fünf Wochen mit dem zehnten French-Open-Titel ebenfalls Geschichte geschrieben. Federer ist nach seinem fünften Saison-Titel bzw. 93. Titel nun hinter Nadal Zweiter im Race. Auf Platz drei in der Wertung 2017 steht immer noch Österreichs große Hoffnung auf einen künftigen Major-Sieg: Dominic Thiem.