Die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Dominic Thiem hatte soeben die Chance vergeben, als erster Österreicher ins Herren-Einzel-Viertelfinale von Wimbledon einzuziehen. Doch am Montag war Tomas Berdych um den Hauch stärker. Nach dem verlorenen Fünfsatz-Thriller blickte Thiem aber bald nach vorne. Ein umgestellter Turnierplan soll ihm eine richtig gute zweite Saisonhälfte bringen.
Thiems Wimbledon-Bilanz 2017 kann sich nach dem erstmaligen Erreichen des Achtelfinales dennoch sehen lassen. Nun hat er bei allen vier Majors zumindest die Runde der letzten 16 erreicht. "Es war echt okay. Die ersten zwei Runden waren schwere Aufgaben für einen gesetzten Spieler, die habe ich ganz gut bewältigt. Die dritte Runde war vielleicht sogar schwerer als erwartet, weil Jared Donaldson echt gut gespielt hat und Berdych war wie erwartet das andere Kaliber", resümierte Thiem seinen 15. "Slam". Dennoch tue ihm die Niederlage "extrem weh". "Weil ich dran war, mich zweimal nach Satzrückstand zurückgefightet habe und dann doch im fünften verliere."
Positive Rasenbilanz
Die Rasen-Saison konnte er letztlich aber nach verpatztem Start doch positiv verbuchen. Ein Zweitrunden-Aus in Halle und Antalya (nach Freilos) hatten für Wimbledon nichts Gutes verheißen. "Das waren noch ein bisserl Folgeerscheinungen von der anstrengenden Sandplatz-Saison. Ich bin nicht unzufrieden."
Doch Thiem ist nicht am Ende seiner Reise angelangt und schon seit längerem hat er eine weitere Verbesserung im Ranking im Auge. Seit dem French-Open-Halbfinale 2016 bzw. dem 7. Juni des Vorjahres steht er in den Top Ten. Und vier Major-Achtelfinali en suite, darunter neuerlich das Semifinale in Roland Garros, sowie verbesserte Resultate bei den ATP-Masters-1000-Turnieren zeugen vom weiteren Aufwärtstrend. "Es sollte langsam zur Selbstverständlichkeit werden, dass ich bei den Grand Slam lange dabei bin", lässt Thiem keinen Zweifel an seinen höheren Zielen. "Vierte Runde in Wimbledon ist dieses Jahr noch zufriedenstellend, aber bei den anderen Grand Slams wird das langsam zur Enttäuschung und es fühlt sich hier auch so an."
Körperlich und mental top
Darum will er dank umgestelltem Turnierkalender, der auch den Verzicht auf das Heimturnier in Kitzbühel nach sich zieht, endlich auch eine starke zweite Saisonhälfte absolvieren. "Ich fühle mich sowohl körperlich als auch mental echt gut. Letztes Jahr nach der Niederlage in Wimbledon habe ich einen richtigen Einbruch gehabt, bin krank geworden", erinnerte sich Thiem. Damals sei alles zu viel geworden und das werde dieses Jahr "sicher nicht" passieren.
"Deshalb versuche ich erstens einmal so früh wie möglich London zu fixieren, und dann sicher das Ranking in Angriff nehmen", versprach der achtfache Turniersieger aus Lichtenwörth. Wie im Vorjahr möchte Thiem einen zweiten London-Trip buchen, er hat das ATP-World-Tour-Finale der acht besten Spieler der Saison im Visier. Ein Unterfangen, das nach der Wiedererstarkung von Roger Federer und Rafael Nadal und dem Nachrücken von Spielern wie Alexander Zverev sogar schwieriger als 2016 erscheint.
Griechenland oder Italien
Ein einwöchiger Kurzurlaub ("wahrscheinlich in Griechenland oder Italien") reiche ihm, um die Batterien für die Hartplatzsaison aufzuladen. "Der Turnierplan ist ja ziemlich ideal dieses Jahr." Besonders wegen dem 1000er-Turnier zum "Rogers Cup", wo Thiem zuletzt (auch wegen Kitzbühel) spät angereist war, spielt Thiem dieses Jahr zuvor erstmals in Washington (ab 31. Juli). Danach in Montreal, Cincinnati und bei den US Open.
"Viele Spieler sind in Montreal noch nicht hundertprozentig 'ready', weil sie von einer Pause oder Urlaub kommen. Wenn ich dort von Washington gut umgestellt hinkomme, kann ich sicher ein gutes Turnier spielen", lautet Thiems Schlachtplan. "Generell war die zweite Saisonhälfte nie so gut wie die erste." Das will und muss Thiem auch ändern, will er sich auch im Ranking Richtung Top five schieben.
New York als Favorit
"Auf Washington und Montreal freue ich mich, auf Cincinnati nicht, das ist nicht mein Lieblingsturnier", sagte Thiem lachend. "Ja und New York ist fast mein Favorit auf der ganzen Tour. Dort will ich dann wieder mein bestes Tennis abrufen. Mir taugt die Stadt, das ganze Flair und die Stimmung und ich war dort immer extrem gern."
Sein Coach, Günter Bresnik, ist bei der Zielvorgabe wie immer vorsichtiger und hofft, dass Thiem das Jahr wieder in den Top Ten abschließt. Arbeiten will er mit Thiem an Aufschlag, Return, Beinarbeit. "Oft ist es der erste Schlag nach dem Aufschlag, wo er sich ein bisserl harmloser bewegt", konstatierte Bresnik.
Der 56-jährige Niederösterreicher verriet auch schon den weiteren Turnierplan nach den US Open. Thiem wird nach dem Davis Cup in Wels (15. bis 17.9.) gegen Rumänien in Chengdu, Tokio, Shanghai, Wien und Paris spielen. Ein neuerlicher London-Trip zum Masters im November in die O2-Arena ist freilich ein großes Ziel. Nach Wimbledon wird der im Race aktuell noch drittplatzierte Thiem zwar wohl etwas zurückrutschen, bleibt aber zumindest Sechster. Diesen Platz hatte er vor Jahresfrist nach Wimbledon ebenfalls inne.