Es wäre ein absolutes Novum: Jelena Ostapenko wäre die erste ungesetzte Spielerin überhaupt, die bei den French Open in der Profi-Ära triumphiert.
Der erste Einzug in ein Grand-Slam-Finale allein hat in Lettland schon für große Begeisterung gesorgt. "Ja, sogar der Präsident hat meine Mutter angerufen, weil er meine Nummer nicht hat", erzählte Ostapenko am Freitag lachend. Die Weltranglisten-47., die am Montag auf jeden Fall in die Top 20 vorstoßen wird, ist die erste Vertreterin (Damen und Herren) in einem Major-Endspiel.
Bresnik prophezeit Ostapenko große Zukunft
Ostapenko hat mir ihrem sehr aggressiven Spielstil u.a. auch Günter Bresnik beeindruckt, der der Aufsteigerin schon vor einer Woche beim Beobachten im Training eine große Zukunft vorausgesagt hatte. Die WTA-Tour kann frische neue Stars ohnehin dringend brauchen. Die schwangere Serena Williams, die von einer Dopingsperre zurückkehrende Maria Scharapowa, die noch nicht in Topform befindliche Petra Kvitova (nach einem Überfall) und auch Victoria Asarenka (Comeback im Juni nach Baby-Pause) haben im Damen-Tennis eine Lücke hinterlassen.
Das hatte auch die siebenfache French-Open-Siegerin und nunmehrige TV-Expertin Chris Evert gemeint. Schon in Wimbledon könnten drei der erwähnten Spielerinnen wieder für Furore sorgen.
Ostapenko traut man mit ihrer krachenden Vorhand, die mit im Durchschnitt 122 km/h schnell ist, jedenfalls den Schritt ganz nach oben zu. Dass ihre Vorhand sogar schneller ist als die von Andy Murray, hat nicht nur viele Fans überrascht. "Das hat mich schon ein bisschen überrascht", gestand die Lettin lächelnd.
Auch ihren Siegeszug ins Endspiel hätte sie vor Turnierbeginn nicht für möglich gehalten. "Ich habe natürlich nicht erwartet, hier ins Finale zu kommen, aber es ging von Match zu Match besser." Die 20-Jährige hat im Finale vielleicht den Nachteil der geringeren Erfahrung, allerdings kann sie mit jugendlicher Unbekümmertheit in ihr erstes Major-Endspiel gehen. "Simona Halep ist eine tolle Spielerin. Ich muss gegen sie aggressiv bleiben, aber es wird hart", weiß Ostapenko, die am Halbfinaltag ihren 20. Geburtstag mit ihrem bisher größten Sieg gefeiert hat.
Die ehemalige Hobby-Turniertänzerin, die gerne Agatha Christie liest und ein Pop-Fan ist, tanzt immer noch gerne. "Ja, wenn ich zu Hause bin, viermal die Woche", sagte sie lachend. Im Alter von 5 bis 12 Jahren hat sie besonders intensiv getanzt. Ob ihr diese Erfahrungen nun auch auf dem Platz nützen? "Ja, das hilft meiner Beinarbeit, weil man sehr koordiniert sein muss und die kleinen Schritte helfen da."
Ostapenko könnte als erste Spielerin seit Gustavo Kuerten den ersten Turniertitel überhaupt in Roland Garros holen. Der Brasilianer hat den ersten von drei Roland-Garros-Triumphen ausgerechnet am 8. Juni 1997 gefeiert - dem Tag, als Ostapenko geboren wurde. "Ja, das habe ich gesehen, das sind ein paar Ähnlichkeiten. Das ist witzig", sagte die Lettin dazu.
Halep musste bereits einen Matchball abwehren
Ihr Gegenüber ist am Samstag trotzdem die Favoritin: Simona Halep ist Nummer 4 der Welt, hat in ihrer Karriere schon fast 18 Mio. US-Dollar sowie 15 Titel gewonnen und stand 2014 hier schon einmal im Finale (Niederlage gegen Scharapowa).
"Es fühlt sich anders an als damals. Ich habe jetzt mehr Erfahrung. Natürlich bin ich glücklich, aber ich bin nicht so aufgeregt. Es ist noch nicht vorbei", sagte Halep, die im Viertelfinale gegen Elina Switolina schon 3:6,1:5 zurückgelegen war und später einen Matchball abwehren musste.
Gegen Ostapenko hat Halep bisher noch nie gespielt. "Daher weiß ich noch nicht, was mich erwartet." Doch die Rumänin, die nach ihrer Managerin Virginia Ruzici die erste rumänische Siegerin seit 1978 werden könnte, war mit ganz anderen Aussichten nach Paris gekommen. "Ich habe das schon früher gesagt: Ich spiele hier um zwei Sachen: meinen ersten Grand Slam zu gewinnen und Nummer 1 der Welt zu werden. Ich denke, ich habe das Spiel und die Mentalität dazu", sagte Halep. Unbekümmertheit gegen Erfahrung - man wird sehen, was sich am Samstag durchsetzt.