Er ist als einer der Co-Favoriten hinter Rafael Nadal in seine vierten French Open gegangen. Aber die Art und Weise, in der Dominic Thiem am Mittwoch zum zweiten Mal en suite ins Halbfinale von Roland Garros eingezogen ist, ist sensationell. Der 23-jährige Lichtenwörther knackte vor 10.000 Zuschauern erstmals auch Titelverteidiger Novak Djokovic - und wie: 7:6(5),6:3,6:0 hieß es nach 135 Minuten.
Es war der bisher größte Sieg in Thiems Karriere und der erste über einen absoluten Top-Mann bei einem Grand-Slam-Turnier. Zudem hat der Weltranglisten-Siebente im sechsten Anlauf erstmals auch den zwölffachen Major-Sieger Djokovic geschlagen. Nur Thiem präsentierte sich nach seinem bisher größten Erfolg ruhig, ausgeglichen und souverän der internationalen Weltpresse: "Ich breche deswegen nicht in Freudensprünge
aus", meinte er, "ich bin noch voll im Turniermodus". Und das ist auch gut so, denn im Halbfinale wartet nun Rafael Nadal.
Weltweite Schlagzeilen
Mit dem Sieg hat Thiem, der spätestens jetzt für weltweite Schlagzeilen gesorgt hat, die fünf größten Namen im aktuellen Herren-Tennis zumindest einmal geschlagen. Gegen Roger Federer (2 Siege), Rafael Nadal (2), Andy Murray (1) und Stan Wawrinka (1) hatte er davor schon zumindest je einmal gewonnen. Zudem war es die erste Niederlage von Djokovic vor dem Semifinale von Roland Garros seit 2010. Damals hatte Jürgen Melzer nach einem 0:2-Satzrückstand das Match noch gedreht - übrigens auch auf dem Court Suzanne Lenglen, auf dem Thiem am Mittwoch gewann.
Die Vorentscheidung in diesem über weite Strecken hochklassigen Sandplatz-Match fiel im ersten Satz. Nach Break und Rebreak zum 2:1 bzw. 2:2 und einem 16-Minuten-Game zum 3:2 für Djokovic (Thiem vergab einen Breakball), schaffte Djokovic ein neuerliches Break zum 4:2. Doch Thiem schlug zurück, nahm dem Weltranglisten-Zweiten den Aufschlag zum 3:4 ab und glich zum 4:4 aus. Bei 4:5 sah sich Thiem dann bei 15:40 zwei Break- und also auch Satzbällen gegenüber. Thiem wehrte diese ab und das Match ging nach knapp einer Stunde ins Tiebreak. Thiem nützte seinerseits seinen zweiten Satzball zum 7:5 im Tiebreak nach 75 Minuten.
Thiem steigerte sich in der Folge sogar noch. Das bestätigte danach auch der entthronte Titelverteidiger. "Alles wurde im ersten Satz entschieden. Ich habe alles versucht, dann habe ich das Break zu Beginn des zweiten Satzes bekommen", sagte Djokovic, der schnell mit 0:2 in Rückstand geriet. "Er hat dann immer besser serviert. Er hat verdient gewonnen und war definitiv der bessere Spieler auf dem Platz", sagte der "Djoker".
In der Folge wurde das Match gar zur einseitigen Sachen. Thiem hielt den Vorsprung, musste nur im siebenten Game noch einmal einen Breakball abwehren. Nach 1:53 Stunden führte Thiem mit 2:0-Sätzen. Satz drei war dann die perfekte Revanche für das 1:6,0:6 vor wenigen Wochen im Rom-Semifinale: Thiem holte den dritten Durchgang sogar mit 6:0.
"Im Vordergrund war sicher die Freude, dass ich zum zweiten Mal in Folge hier das Semifinale erreicht habe. Ich hätte mich nicht weniger gefreut, wenn es gegen irgendjemand anderen gewesen wäre", versicherte Thiem im großen Interviewraum des Stadions Philipp Chatrier. "Aber es ist ein sehr nettes Nebengeräusch, dass es Novak war. Er war der letzte absolute Topspieler, den ich noch nicht geschlagen habe, das hat sich heute geändert."
Der größte Sieg
Der größte Sieg seiner Karriere war es aber dennoch auch wegen des Schauplatzes und der Turnierphase. "Das war definitiv mein größter Sieg, weil es war der erste über einen Top-Ten-Spieler bei einem Grand Slam. Das ist natürlich ein großer Unterschied, weil es auf 'best of five' geht. Und es war ein Viertelfinale", meinte der Lichtenwörther.
Im Halbfinale kommt es nun zum Duell des "Sandplatzprinzen" mit dem "Sandplatzkönig". In dieser Form muss sich Thiem selbst vor Rafael Nadal nicht fürchten. Nadal hatte zuvor in seinem Viertelfinale leichtes Spiel gehabt. Nach nur 51 Minuten und beim Stand von 6:2,2:0 für den neunfachen French-Open-Sieger musste Pablo Carreno Busta wegen einer Bauchmuskelverletzung aufgeben.
Nadal strebt in Paris die "Decima" an, ein nie dagewesener zehnter Sieg bei den Herren beim selben Grand-Slam-Turnier. Im Head-to-Head führt Nadal gegen Thiem mit 4:2-Siegen. Zuletzt hatte Thiem im Viertelfinale von Rom mit einer seiner besten Leistungen überhaupt Nadal mit 6:4,6:3 bezwungen.
Am Freitag gegen Nadal muss er wohl ähnlich stark spielen, will er als zweiter Österreicher nach Thomas Muster (Triumph 1995) ins Endspiel eines Grand-Slam-Turniers einziehen. Thiem hat als erst zweiter Österreicher nach Thomas Muster (insgesamt vier Semifinali) zum zweiten Mal das Halbfinale eines Majors erreicht. Der Weltranglisten-Siebente hat nun bereits 530.000 Euro (brutto) sowie 720 Zähler für die ATP-Weltrangliste sicher.