Noch ehe die mit nicht weniger als 7 Millionen Dollar dotierten WTA-Finals in Singapur am Sonntag beginnen, steht eine große Gewinnerin schon fest: Angelique Kerber. Die 28-jährige Deutsche hat in diesem Jahr ihren kometenhaften Aufstieg von den hinteren Top Ten an die absolute Spitze geschafft. Da Serena Williams wegen einer Verletzung nicht antritt, bleibt Kerber auch am Jahresende ganz oben.
"All die Erfahrung der vergangenen Jahre ist in diesem Jahr zusammengekommen. Ich bin dieses Jahr ein bisschen erwachsener geworden", sagte Kerber im Vorfeld ihres letzten Auftritts 2016 zu ihrem sportlichen Reifeprozess. Dem ersten Major-Titel bei den Australian Open folgte bei den US Open der zweite, womit sie auch erstmals die Nummer-eins-Position von Williams übernahm.
Serena Williams hat nach einer Halbfinal-Niederlage bei den US Open gegen die nun beim Showdown in Singapur debütierende Tschechin Karolina Pliskova ihre Saison beendet. Es ist ein Spiegelbild des Jahres 2015, als Williams auf der Jagd nach dem Grand Slam ebenfalls im Semifinale in Flushing Meadows verlor und dann nicht zuletzt aus Motivationsgründen den Rest des Turnierjahres sausen ließ. Diesmal hat die 35-jährige US-Amerikanerin allerdings eine Schulterverletzung als Grund für ihre Pause angegeben.
Während Williams damit den siebenten Wimbledonsieg und die Egalisierung von Steffi Grafs 22 Major-Siegen wohl als ihren Höhepunkt des Jahres sehen wird, hat die Olympia-Zweite Kerber die Chance, ihr bisher bestes Jahr beim Masters in Singapur zu krönen. Apropos Graf: Kerber ist erst die zweite Deutsche, der es gelungen ist, den Tennis-Thron zu erklimmen. "Es ist eine große Ehre und auch Leistung, dass ich das Jahr als Nummer 1 der Welt beenden kann", freute sich Kerber.
Die Deutsche meinte, sie werde Williams "vermissen", in Sachen Maria Scharapowa war sie weniger mitfühlend. "Man wird sehen, wenn sie zurückkommt. Ich weiß nicht, ich denke nicht darüber nach", meinte Kerber.
Gruppenphase überstehen
Ihr Hauptaugenmerk gilt einem guten Abschneiden und dem Überstehen der Gruppenphase: Es ist ihr viertes Saison-Finale unter den besten acht Spielerinnen der Welt, im Vorjahr hatte Kerber im letzten Round-Robin-Spiel gegen Lucie Safarova nur ein Satzgewinn zum Aufstieg ins Halbfinale gefehlt.
"Ich habe von diesem speziellen Moment viel gelernt, weil voriges Jahr der Druck auf mir sehr hoch war. Doch dieses Jahr kann ich viel besser damit umgehen und das wird nie wieder passieren", versicherte Kerber. Auch wenn der Druck freilich als Nummer eins der Welt noch weit größer ist. "Weil jeder von dir erwartet, dass du jedes Turnier gewinnst", stellte die Deutsche fest, die sich nach Singapur einen Strandurlaub gönnen wird.
ARD und ZDF übertragen
Erstmals seit Jahren wird in Deutschland übrigens das öffentlich-rechtliche Fernsehen ARD und ZDF wieder Live-Tennis zeigen und aus Singapur übertragen. "Ich hoffe, das ist nur der Anfang und keine einmalige Angelegenheit", meinte Kerber kürzlich zur dpa.
Kerber wurde am Freitag übrigens auch zur Spielerin des Jahres gewählt. Wie die WTA mitteilte, wurde die 28-jährige Deutsche für ihre herausragende Saison mit dem Gewinn der Australian Open und der US Open gewürdigt. Kerber stieg nach ihrem zweiten Grand-Slam-Turniererfolg in New York zudem zur Nummer 1 auf.
Auch Kerbers erste Gegnerin am Sonntag, Dominika Cibulkova, gehört ebenfalls zu den von der WTA ausgezeichneten Spielerinnen. Die Slowakin wurde für ihr Comeback geehrt, nachdem sie sich nach einer Achillessehnen-Operation 2015 in dieser Saison auf Weltranglistenplatz acht verbessert hat und damit so hoch wie nie geklettert ist.
Und Kerbers Konkurrenz? Agnieszka Radwanska und Simona Halep sind wohl die schärfsten Konkurrentinnen. Mit Linz-Siegerin Cibulkova, Madison Keys und Pliskova sind zumindest drei Debütantinnen dabei, French-Open-Siegerin Garbine Muguruza ist nach ihrem Halbfinale im Vorjahr auch erst zum zweiten Mal mit von der Partie.
Platz acht wird (nach der Absage von Williams) buchstäblich in letzter Minute vergeben: Entweder schafft es die achtplatzierte Britin Johanna Konta erstmals, oder doch noch Swetlana Kusnezowa. Die 31-jährige Russin müsste in Moskau aber den Titel holen, um ihre sechste Teilnahme am Saison-Finale zu sichern und spielt dort am Samstag das Endspiel.
WTA-Finals ab Sonntag in Singapur:
Rote Gruppe: Angelique Kerber (GER-1), Simona Halep (ROU-3), Madison Keys (USA-6), Dominika Cibulkova (SVK-7)
Weiße Gruppe: Agnieszka Radwanska (POL-2/TV), Karolina Pliskova (CZE-4), Garbine Muguruza (ESP-5), Johanna Konta (GBR-8) oder Swetlana Kusnezowa (RUS-8)
Modus: Top zwei der Gruppen im Semifinale, dann im K.o.-System