"Oh, I'm sorry!" Ja, wenn man das erste Mal auf der altehrwürdigen Anlage von Wimbledon wandelt und die funkelnden Augen auf ihrer Jagd nach Eindrücken unentwegt von links nach rechts und wieder retour schießen, dann kann es schon einmal passieren, dass man einen Juan Martin del Potro, seines Zeichens US-Open-Sieger 2009, übersieht und quasi über den Haufen rennt. "No problem", antwortet der argentinische Hüne mit einem "Kann ja mal passieren"-Blick, macht zwei Schritte vorwärts und klatscht in "Mister Lässig"-Manier mal eben mit Rafael Nadal ab, der gerade vom Trainingsplatz Richtung Players-Lounge stapft.

Noch sind in Wimbledon, wo am Sonntag bei seiner 125. Auflage der erste Aufschlag über die Netzkante zischen wird, die Rollläden herunten. Diverse Stände wie etwa die Erdbeeren- oder die Champagner-Bar erhalten noch den letzten Feinschliff, Zuschauer haben noch keinen Zutritt. Nur den Journalisten, die wie jedes Jahr in einer Riesenschar über das berühmte Sport-Spektakel herfallen und es in die weite Welt hinaustragen, ist es gestattet, sich schon unter den Racket schwingenden Athleten zu tummeln. Und die Stars genießen sichtlich diese Ruhe vor dem Sturm.

Und der ist garantiert, passierten doch alleine im letzten Jahr in den zwei Turnierwochen nicht weniger als 489.946 Besucher die Drehkreuze des weitläufigen Areals an der Church Road. Wenn wundert's, steht Wimbledon mit seinem "Heiligen Rasen" doch zurecht für das "Mekka des Tennissports". Apropos Rasen -da dieser bekanntlich grün ist, hält man gleich die gesamte Anlage in diesem Farbton. Die Gebäude sind grün, die Planen sind grün, die Bänke, die Stühle und die Tische auch. Ebenso auffällig: Nur "Slazenger" und "Rolex" dürfen mit dezenten Bannern auf sich aufmerksam machen, ansonsten präsentiert sich Wimbledon als werbefreie Zone.

Purzelbäume des Herzens

Schlendert man zu den Trainingsplätzen, so vollbringt das Herz des eingefleischten Tennisfans gleich mehrere Purzelbäume. Dort schlägt sich Novak Djokovic mit dem Ukrainer Alex Dolgopolow ein - und der Weltranglisten-Zweite ist zum Greifen nahe. Einen Platz weiter massieren Jo-Wilfried Tsonga und Robin Söderling die Bälle, daneben treiben Gilles Simon und Gael Monfils ihre Späße, indem sie den Tennisball kurzerhand in einen Fußball verwandelt haben. Und während man mit offenem Mund das Geschehen verfolgt, merkt man gar nicht, dass gerade Caroline Wozniacki an einem vorbeigegangen ist.

Der Einzige, der bei diesem prominenten Treiben fehlt, ist Roger Federer. Der hält im Interviewraum, der sich unter dem majestätischen Center Court befindet, eine Pressekonferenz. Vor mehr als 100 Journalisten, die sich in den nicht übertrieben großen Raum gepresst haben, verkündet der sechsfache Wimbledon-Triumphator, dass er für den siebenten Streich bereit sei. Bereits seit Montag weilt der Eidgenosse in London und der Zauber des Traditions-Turniers habe ihn längst wieder in seinen Bann gezogen. Einzig das Wetter präsentiere sich derweilen noch ein wenig als Spielverderber.

Wohl wahr, denn nach der Fragestunde mit Federer beginnt es wie aus Kübeln zu schütten. Doch kann man sich über das miese Wetter gar nicht ärgern, denn Wimbledon ohne Regen wäre ja nicht Wimbledon.