Seit ein paar Tagen ist Franz-Josef Lässer (21) vollkommen im Bann der Bahn. Alle Rennen der WM beobachtet er mit Argusaugen auf dem Bildschirm, achtet dabei nicht nur auf die Zeiten der Stars, sondern auch auf Renngeschick und Taktik. Kommende Woche wird er nämlich selbst auf den Planken um WM-Medaillen fahren. Erstmals.
Der Grazer wird bei den Para-Bewerben im Vélodrome National in Saint-Quentin-en-Yvelines an den Start gehen, in allen fünf Bewerben. Sonderlich hoffnungsfroh auf eine Medaille ist er zwar nicht, aber zumindest bei den kurzen Rennen rechnet sich der ursprüngliche Mountainbiker Gutes aus. „Beim 1000-Meter-Rennen bin ich guter Dinge. Da muss man nur hinhalten und technisch nicht der beste Bahnfahrer sein“, sagt er mit einem Lachen. Hinhalten heißt, binnen Sekunden das Maximum aus den Beinen holen und durchziehen. Nur drei Trainingstage auf der Bahn von Novo mesto (SLO) hat er in den Beinen, eine kurze Erkrankung verhinderte noch ein paar Runden im Oval von Linz. Der Grad der Erfahrung ist noch medioker und daher sieht es in puncto Optimismus beim Scratch-Rennen über 15 Kilometer schon anders aus. „Da habe ich schon einen gesunden Respekt. Da werde ich bei meinem ersten Antreten nicht für die rennentscheidenden Szenen sorgen“, sagt er. Lässer tritt in der Klasse C5, jener mit dem niedrigsten Behinderungsgrad, an. Ihm fehlen seit Geburt vier Finger der linken Hand; er hat daher Schwierigkeiten, wenn er den Lenker mit voller Kraft halten müsste – etwa beim stehenden Start oder bei schwierigen Passagen im Mountainbikesport. „Da haben es auch auf der Bahn die Fahrer einfacher, die etwa eine leichte Behinderung an den Beinen haben, etwa am Wadenmuskel.“
Lange hat Lässer den Parasport links liegen lassen, seiner Liebe, dem Geländeradsport, gefrönt und das nicht im Parasport. „Ich habe mir eingestehen müssen, dass ich beim Cross Country kein Licht habe. Ich bin bei Staatsmeisterschaften nicht irgendwo, aber wenn die Strecke nicht perfekt für mich ist, fahre ich mich nach schwierigen Passagen leer“, sagt der Fahrer vom Bikeclub Stattegg.
Auch wenn er schon eine Goldene bei der Para-EM auf der Straße zu Hause hat, zahlte er bereits Lehrgeld. „Ich war im Vorjahr bei der Zeitfahr-WM und habe mir gedacht, ich fahre da locker mit. Im Ziel hatte ich acht Minuten Rückstand. Heuer waren es nur vier und bei der EM eineinhalb – langsam wird es spannend“, sagt er mit einem Lachen. Kommende Saison wird er den Fokus auf die Para-Bewerbe und die Rad-Bundesliga legen, die er zum ersten Mal fährt. „Andere Fahrer in meiner Klasse fahren in der Elite bei den Nichtbehinderten auf Conti-Niveau (Anm. dritthöchste Kategorie). Die haben bei den ersten Parabewerben 15 Rennen intus. Daher muss ich nachlegen und fahre Bundesliga.“ Denn Lässer hat ein klares Ziel: „Ich will auf die große Bühne, zur großen Show.“