Anton Palzer, Profiradsportler. Sie sind vom Skibergsteigen im Winter in den Radsport gewechselt und mit der Tour of the Alps beginnt am Montag ein neues Kapitel. Mussten Sie lange über den Schritt nachdenken?
ANTON PALZER: Ich habe monatelang überlegt, ob ich es machen soll, oder nicht. Klar, der Profiradsport ist eine andere Nummer als das Skibergsteigen, aber ich habe mir in den Jahren so viel aufgebaut. Soll ich das mit Füßen treten und mich vertschüssen? Ich bin auch aus der staatlichen Sportförderstelle ausgetreten. Ich hätte danach sicher Fördergruppenleiter werden können. Meine Zukunft war mehr oder weniger abgesichert und das habe ich jetzt für den Lebenstraum "Radsport" aufgegeben. Wo keiner weiß, ob das funktioniert. Aber im Endeffekt konnte ich nicht nein sagen, weil ich es mir nie vorwerfen möchte, dass ich es nicht versucht hätte.

Wie sind die Beine?
Passt gut. Ich glaube, ich habe mich gut vorbereitet. Klar komme ich aus der Wintersaison mit dem Ski, aber dafür haben meine Trainer und ich die Form so gut wie möglich hinbekommen. Ich war jetzt noch auf Gran Canaria trainieren und das war besonders wichtig. In den zwei Wochen bin ich 65 Stunden auf dem Rad gesessen.

Bewerbe im Skibergsteigen oder Berglauf dauern meist an die zwei Stunden, Radrennen wesentlich länger. Wie schwierig wird das?
Das kann man von der Intensität her nicht vergleichen. Wir laufen am Berg zwei Stunden auf Anschlag und das hat man so beim Radfahren nie. Klar ist es eine Umstellung und wir müssen auch einmal schauen, wie das im Fahrerfeld für mich funktioniert. Aber ich freue mich wirklich, dass es jetzt losgeht, weil dann kenne ich auch einmal den Ist-Zustand. Meine Form ist mit Sicherheit gut, es passt alles und ich kann auch einigermaßen schnell bergauf Radfahren, aber auf die Erfahrungen aus dem Rennen kann man sicher sehr gut aufbauen.

Wie kommen Sie die Berge runter?
Ich kann schnell bergab fahren und das hat mir auch der Sportliche Leiter nach dem Trainingslager am Gardasee gesagt. Na klar, wenn man schnell mit dem Ski bergab fahren kann, kann man das in der Regel auch vernünftig schnell mit dem Radl. Immerhin fahren wir auf den Ski auch 100 im Gelände. Aber wie das dann im Rennen ist, wenn 50 Fahrer um mich herum sind, ist eine andere Frage. Ich glaube schon, dass das passt.

Am Mut fehlt es aber nicht?
Das sowieso nie. Aber ich gehe auch einmal schwer davon aus, dass meine Parameter einigermaßen passen werden, sonst wäre das Projekt gar nicht angelaufen. Das wurde ja angeschaut, bevor ich den Vertrag unterschrieben habe. Keine Frage, das wird ein riesiger Lernprozess, aber grundlegend dürfte es schon passen.

Was sind Radfahrer für Typen aus der Perspektive eines Quereinsteigers?
Ich kenn ja jetzt noch nicht so viele. Die Buben von Bora-Hansgrohe halt und die sind im Endeffekt gleich wie ich: Lockere, junge Leute, die ihren Lebenstraum verfolgen. Das macht es aus und das ist auch beim Skibergsteigen nicht anders. Ich bin sehr gut aufgenommen worden und von der Österreicher-Fraktion habe ich auch schon ein paar Fahrer gekannt. Als Sportler braucht man eine gewisse Ruhe und Entspanntheit, aber im Endeffekt muss man auch dementsprechend hart zu sich selbst sein, wenn es um was geht – und das sind die Burschen und ich auch. Immerhin bin ich auch schon acht Jahre Profisportler.

Wie kommt man auf die Idee, nach vielen Jahren Radprofi zu werden?
Ich war 13 Jahre im Weltcup unterwegs und habe eine Veränderung gebraucht. Ich habe mit 15 angefangen und jetzt bin ich 28. Das ist eine wahnsinnig lange Zeit und ich habe tolle Erfolge feiern dürfen. Der Radsport hat mich immer schon fasziniert, wobei der Lebenstraum "Radsport" eher ein Hirngespinst war. Ich habe ab und zu gesagt: In zehn Jahren werde ich Radprofi. Aber das war eher spaßeshalber gesagt.

Und dann gleich auf der World Tour bei einem namhaften Team . . .
Das ist sicher eine riesen Chance die mir BORA-hansgrohe gibt. Für mich wäre es aber auch keine Option gewesen, mich im Radsport von ganz unten hochzuarbeiten. Dafür bin ich zu alt (lacht) und ich habe mir in den vergangenen Jahren schon viel aufgebaut. Das ist mein Beruf und ich will auch einmal eine Familie gründen. Aber ich habe nie gedacht, dass ich einmal so in ein World-Tour-Team komme und ich habe auch nie jemanden angesprochen und gesagt: Hey schau mich an, vielleicht kann ich ganz schnell Radfahren. Um Gottes willen, das hätte ich nie gemacht.

Aber es hat sich ergeben?
Durch Zufälle. Aber irgendwas Neues hätte ich machen müssen. Vielleicht etwas in der Projektschiene, wie bei meiner Watzmannüberschreitung (Palzer hält mit 2:47 Stunden den Rekord, Anm.). Aber dann ist das Angebot gekommen und ich habe entschieden, das mitzunehmen. Zumindest kann ich mir jetzt in zehn Jahren nicht vorwerfen, dass ich es nicht probiert habe.

Beim Radsport gibt es ein paar Style-Gesetze. Mitmachen oder darauf pfeifen?
Auf das pfeife ich komplett. Es ist mir total wurscht. Nein. Es ist mir nicht einmal total wurscht, das geht mir mit 180 am A…. vorbei. Das ist wahrscheinlich der Hobbysport, aber im Leistungssport geht es um Leistung: Fahre ich schnell Rad, oder nicht. Da ist es dann egal, ob der Socken gleich lang ist, wie der andere, oder ob die Brille passt und das Trikot immer gleich lange ist. Ich nenne mich ja "Berufsradfahrer", aber ich komme aus einem anderen Metier und muss mich dann nicht mitn anderen vergleichen.  Ich werde mit Sicherheit den ein oder anderen blöden Kommentar bekommen, warum ich das so oder so mache, aber ich erzähle die Geschichte vom Palzer Toni und nicht von einem Imitator, der verzweifelt versucht, in die Radsportwelt zu kommen.

Anton Palzer
Anton Palzer © Red Bull Content Pool

Man hört, dass Sie sich auch im Training voll einschenken, bis nichts mehr geht. Macht Sie das aus?
Das ist vielleicht schon ein bisschen eine Gabe, aber das kommt auch vom Skibergsteigen. Diese Rennen sind so unglaublich hochintensiv – da ist jedes Rennen wie ein Zeitfahren über zwei Stunden. Und dass jedes Wochenende zwei, drei Mal und da lernt man wirklich, dass man anders mit seinem Körper umgeht. Da kann man wahnsinnig hart zu sich sein. Ich habe die Gabe, dass wenn ich wirklich mag und zu 100 Prozent motiviert bin, dass ich 105 Prozent geben kann. Das kann ich sicher in den Radsport mitnehmen.

Werden Sie gleich voll losmarschieren?
Auch Teammanager Ralph Denk sagt, dass ich in zwei, drei Jahren konkurrenzfähig bin. Das ist auch realistisch. Es war nie ein Thema, dass ich vom ersten Rennen an liefern muss. Das erwartet aber auch keiner von mir. Ich bin vor einem Monat noch auf Skiern gestanden und da muss man mit ganz viel Gefühl und einer gesunden Selbsteinschätzung an die Sache gehen. Die habe ich definitiv. Ich gehe da nicht mit einer Einstellung rein, dass ich sage, ich werde mich da so verwirklichen wie im Bergsport – das ist mir vollkommen bewusst, dass das nicht passieren wird. Ich tue alles dafür, dass ich maximal gut bin, aber man muss auch realistisch denken.

Wenn Sie dann lesen: Toni Palzer bessere Werte als Lance Armstrong. Baut das nicht Druck auf?
Den lasse ich mir nicht machen. Klar, seit der Bekanntgabe scheißt es mich auf gut Bayrisch mit Anfragen zu. Das ist schön, auch für den Sport. Der Radsport braucht mich nicht – um Gottes willen - aber es ist schön für das Skibergsteigen. Denn jeder schreibt "der Skibergsteiger" und somit ist das gut für den Sport.

Und der Vergleich?
Dass das eine interessante Überschrift für die Bild-Zeitung ist, darüber brauchen wir nicht reden, aber da steiger ich mich nicht hinein . . .  Freilich habe ich eine höhere V02max (Maximale Sauerstoffaufnahme, Anm.)  als Armstrong und ich habe vielleicht auch die höchste im ganzen Fahrerfeld, aber das ist ein Wert. Einfach eine Zahl, die bei einem Skitest festgestellt wurde, nicht einmal auf dem Rad. Zahlen sind wie ein Bikini. Sie zeigen viel an, aber nicht alles. Im Endeffekt geht es darum, dass du lieferst und erfolgreich bist. Ich will nicht verglichen werden. Ich will kein billiger Imitator sein, sondern eben meine Geschichte erzählen. Ich bin fleißig im Training und von dem her kann ich mir nichts vorwerfen. Das ist eine Riesenchance, die auf dieser Welt noch nicht viele bekommen haben - und die werde ich nutzen.