Die Jury brach das Rennen ab, als sich die Besten der Gesamtwertung in der Abfahrt vom Col de l'Iseran befanden und werteten die Zeiten oben auf dem Pass (2.770 m). Der Kolumbianer Egan Bernal übernahm als Tagesbester die Gesamtführung vom Franzosen Julian Alaphilippe.

Der erst 22-jährige Bernal hatte sich am Vortag vor seinen Teamkollegen und Vorjahressieger Geraint Thomas an die zweite Stelle der Gesamtwertung geschoben, auf der zweiten der drei Alpenetappen setzte er nach. Im Anstieg zum höchsten Punkt der 106. Auflage attackierte der Führende der Jungprofi-Wertung, schloss zu einer Spitzengruppe auf und passierte den Iseran vor dem Briten Simon Yates als Erster. Eine Gruppe mit den Mitfavoriten Geraint Thomas, Steven Kruijswijk und Emanuel Buchmann lag rund eine Minute zurück, Alaphilippe hatte rund zwei Minuten eingebüßt.

Während der 27 Kilometer langen Abfahrt erfuhr die Rennleitung von einem starken Unwetter vor dem Schlussanstieg nach Tignes. Die Strecke war wegen Hagels und einer Schlammlawine an mehreren Stellen unpassierbar, das vorzeitige Ende der Etappe unausweichlich. Nach dem Iseran wären noch 37,5 Kilometer zu absolvieren gewesen.

Damit nimmt Bernal, der heuer schon Paris-Nizza und die Tour de Suisse gewonnen hat, die dritte und entscheidende Bergetappe am Samstag zur Bergankunft in Val Thorens mit einem 33 km langen Schlussanstieg und 1.800 Höhenmetern mit rund 30 Sekunden Vorsprung auf Alaphilippe in Angriff. Der 27-Jährige, der das Trikot 13 Tage getragen hatte, profitierte wohl vom vorzeitigen Ende. Denn im acht Kilometer langen Schlussanstieg nach Tignes hätte Bernal wohl einen noch größeren Vorsprung herausgeholt.

Der Jungstar könnte als erster Kolumbianer bei der Tour triumphieren sowie die Serie des Teams von Dave Brailsford (Ineos, zuvor Sky) fortsetzen und als vierter Fahrer für den siebenten Sieg in den vergangenen acht Jahren sorgen. Zuvor hatten Bradley Wiggins, David Froome (vier Mal) und Thomas das wichtigste Radrennen der Welt für den britischen Rennstall gewonnen.

Alaphilippes Landsmann und Mitfavorit Thibaut Pinot hatte zuvor als Gesamt-Fünfter wegen einer Muskelverletzung im linken Oberschenkel aufgeben müssen. Der Mitfavorit und Hoffnungsträger der Grande Nation auf den ersten heimischen Gesamtsieger seit Bernard Hinault 1985 stieg weinend vom Rad.

Pinot hatte es zwei Tage zuvor bei einem Beinahe-Sturz den Lenker seines Rades gegen das Bein geschlagen. Am Donnerstag kam er noch halbwegs gut durch, doch die Probleme wurden größer. Der Etappensieger auf dem Tourmalet in den Pyrenäen verlor schon früh den Anschluss an die Besten und musste kapitulieren.