Nur eine Stunde hat Andreas Grossek in der Nacht auf Dienstag geschlafen. Es habe sich angefühlt wie ein unerwarteter Schlag mit einem Baseballschläger, als ihm Matija Kvasina von der Mail des Weltverbands erzählt habe, sagt er. Fast gleichzeitig langte der Anruf des Weltverbandes UCI beim sportlichen Leiter von Felbermayr ein – die Bestätigung. Dem Kroaten war beim Flèche du Sud im Mai die Einnahme von „Molidustat“ nachgewiesen worden. Er wurde von der UCI mit sofortiger Wirkung suspendiert, ihm droht eine Sperre von vier Jahren. „Ich habe mich mit dem Mittel nicht beschäftigt. Für mich ist Fakt, dass er positiv getestet wurde, und das reicht mir. Ich bin kein Arzt und weiß nicht, worum es sich handelt. Das Einzige, was ich machen konnte, habe ich getan: ihn suspendiert und sofort nach Hause geschickt“, sagt Grossek. Der Vertrag mit dem Fahrer soll bereits aufgelöst worden sein.

„Wir waren alle überrascht und sprachlos“, sagte sein Ex-Teamkollege Stephan Rabitsch vor der zweiten Etappe der Österreich-Rundfahrt von Wien nach Pöggstall, „wir sind alle enttäuscht, aber jeder ist alt genug und für sich selbst verantwortlich. So etwas muss man im Rennen ausblenden und wir wollen sportlich antworten.“

Otto Flum, Präsident des heimischen Radsportverbands, hatte mit „dieser Nachricht und der Entwicklung keine Freude. Aber wir wollen darauf hinweisen, dass derzeit eine Lücke besteht, die die Nada, die nationale Dopingbehörde, schließen muss.“ Gemeint sind die Unterschiede im Kampf gegen Doping in einzelnen Nationen. Flum: „Das Problem ist, dass ausländische Fahrer, die bei einem österreichischen Team sind, außerhalb eines Wettbewerbs nicht kontrolliert werden. Hier ist eine Lücke und ein Ungleichgewicht zu Österreichern. Die sind permanent Kontrollen unterworfen.“

2589 Kontrollen – 1874 Urin- und 715 Bluttests – hat die österreichische Dopingagentur im Jahr 2016 durchgeführt, rund 200 davon im Radsport. Der Fokus liegt bei den – mit Steuergeldern finanzierten – Dopingjägern auf den heimischen Sportlern. Die Häufigkeit der Tests ist von den Budgets der einzelnen nationalen Kontrollstellen abhängig – daher die großen Unterschiede. Hierzulande müssen Profisportler via Online-System täglich angeben, wo sie anzutreffen sind. International tätige österreichische Sportler werden so in Summe (Nada und Verbände) bis zu 15 Mal im Jahr in Bewerben und Training überprüft. Diese Kontrollen sind freilich unangekündigt – so wurde das Team Felbermayr etwa heuer im Trainingslager in Kroatien überprüft. In der Alpenrepublik tätige Legionäre werden auch untersucht. „Ich kann mich nicht erinnern, dass wir in den vergangenen zwei Jahren bei den Spitzenfahrern ein Vorkommnis hatten“, sagt Flum. „Die Top-Fahrer sind ohnehin einer permanenten Kontrolle unterworfen. Es wird immer wieder schwarze Schafe geben, aber die Entwicklung ist sehr gut. Umso wichtiger ist es, die letzten Türen und Lücken zu schließen.“

Die sportliche Antwort auf den Schatten, der durch Kvasina auf dem Rennstall liegt, gab Rabitsch. Er verteidigte auf der zweiten Etappe das Trikot des besten Bergfahrers und schnappte sich von Teamkollege Markus Eibegger auch noch jenes des besten Österreichers. In der Gesamtwertung liegt der Steirer mit Kärntner Wurzeln auf dem dritten Platz hinter Sep Vanmarcke (Canondale) und Andrea Vendrame von der italienischen Nationalmannschaft. Den Sieg in Niederösterreich sicherte sich Tom-Jelte Slagter (NED) vor Mekseb Debesay (Eritrea). Einen großen Imageverlust durch Kvasina befürchtet Flum nicht: „Es wird nicht hilfreich sein, aber ich gehe davon aus, dass es sehr fair gesehen wird. Ich hoffe, dass der Schatten nicht zu sehr auf den heimischen Radsport und die Veranstaltung fällt.“

Am Mittwoch geht es mit dem dritten Teilstück von Wieselburg nach Altheim weiter. Dann warten die Bergetappen auf das Kitzbüheler Horn und über den Großglockner. Beide Etappen werden auf www.oesterreich-rundfahrt.at (Horn: Donnerstag, 14.30 bis 17 Uhr, Glockner: Freitag, 14 bis 16.30 Uhr) im Livestream zu sehen sein.