Sanft streichelt Michael Kogler seinen Cousin. Doch Christoph Strasser regt sich nicht, er atmet durch, manchmal hüstelt er. Noch ist es nicht an der Zeit, ihn wieder aufzuwecken. Nach Jahren an der Seite des Extremsportlers kennt Kogler den richtigen Zeitpunkt. Erst wenn die Tiefschlafphase zu Ende ist, wird er zurück in die knallharte Realität des Race Across America geholt.

Neben Strasser und seinem Teamchef sind der Teamarzt und der Physiotherapeut im kleinen Abteil hinten im Wohnmobil. Untersuchungen, Blutabnahme und Analyse, Behandlung der offenen Stellen und physiotherapeutische Maßnahmen werden durchgeführt und das alles ohne Strassers bewusste Wahrnehmung. Er ist vollkommen weg. Schon bevor er vom Rad steigt, reduziert die Crew im Pacecar die Gespräche mit ihm und das Licht, um Strasser „runterzubringen“. Ist er beim Wohnmobil, wird gar nicht mehr geredet, die Lichter sind auf ein Minimum reduziert, Strasser wird ins Bett gebracht.

Der Rest des Teams geht bedacht und flüsternd den Aufgaben nach. In einer der wenigen längeren Pausen, die Strasser auf dem fast 5000 Kilometer langen Weg einlegt, muss viel erledigt werden. Bei der Übergabe des Pacecars von der Tag- auf die Nachtschicht wird der Dodge schnell gereinigt, die Getränke und Flüssignahrung für Strasser werden aufgefüllt, auch die Verpflegung für die drei Männer im Auto. In den kommenden zwölf Stunden werden sie hinter Strasser fahren, ihn versorgen, pushen und sich um seine Sicherheit kümmern. Das Rad wird einem Service unterzogen (Schaltung, Bremsen, Reifendruck, Reinigung des Rahmens, Kette schmieren), die Lichter und der Radcomputer getauscht und der Fotograf und der Kameramann versuchen, das Ganze festzuhalten und die ersten Bilder online zu stellen.

Ein paar Meter weiter werden im Wohnmobil die Berührungen intensiver, die Crew spürt den Zeitpunkt, an dem er geweckt werden soll. „Wir sind teilweise seit zwölf Jahren mit ihm bei solchen Bewerben und spüren es an seinen Reaktionen, wenn er so weit ist, dass wir ihn wecken können“, sagt Kogler. Der Kraubather schlägt langsam die Augen auf, wirkt orientierungslos. Er wirkt gezeichnet, gähnt, während ihm das frische Outfit angezogen wird. „Gemma schöpfen“, sagt er. Die Stimme ist seit dem Start in Oceanside rauer geworden. Nach weniger als einer Stunde geht die Tür des Wohnmobils auf, die Gespräche nehmen normale Lautstärke an. Er wird noch einmal gewogen und auf das Rad gesetzt. Es geht weiter in Richtung Annapolis. Die Crew schreit und jubelt den grellen Lichtern hinterher. Radfahrer sitzen alleine auf dem Velo, ein Einzelsport ist es aber nicht.